Schauspiel
Elfriede Jelineks "Wut" am Theater Freiburg
Die Stücke von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek (72) sind engagiert und unversöhnlich. 2016 wurde "Wut" von Nicolas Stemann uraufgeführt, ab Freitag ist es am Theater Freiburg in der Regie von Hermann Schmidt-Rahmer (59) in einer dezidiert politischen Lesart zu sehen. Annette Hoffmann hat mit ihm gesprochen.
Ticket: Stecken Sie nach dem Attentat von Halle in der Zwickmühle – zwischen dem Bedürfnis innezuhalten und aktuell zu sein?
Schmidt-Rahmer: Diese Zwickmühle wird von Jelinek thematisiert. Sie sagt einerseits, du sollst dir kein Bildnis machen, um den Täter nicht auch noch zu heroisieren. Andererseits kann man die Sucht nach diesen Bildern nicht leugnen. Klaus Theweleit befasst sich in seinem Buch "Das Lachen der Täter", mit der Frage, woher die Sucht und das Glück des jungen männlichen Täters kommen, seine Tat in der Öffentlichkeit zu sehen. Jelinek benutzt sein Buch als Ausgangsmaterial für "Wut".
Ticket: Es ist überhaupt viel von Männlichkeit zu hören, stammen die Textpassagen von Björn Höcke?
Schmidt-Rahmer: In einer Rede hat Björn Höcke gesagt, dass wir unsere Männlichkeit wiederentdecken müssen, denn nur, wenn wir männlich sind, sind wir auch wehrhaft. In der Verteidigung gegen die vermeintlichen Invasoren fordert er ein kämpferisches Männerbild für Deutschland. Im Kopf dieses Mannes gibt es Vernichtungsfantasien, die in schwache Personen wie die weltweiten Amokläufer implementiert werden. Es sind die Worte eines Björn Höcke, mit denen der Hallenser Täter seine Taten legitimiert.
Ticket: Wut ist ein ambivalentes Gefühl. Es ist zerstörerisch, kann aber auch Energie freisetzen. Elfriede Jelinek verbindet es in ihrem Stück zudem mit der Antike.
Schmidt-Rahmer: In "Wut" gibt es zwei zentrale Mythen. Der eine ist das Stück von Euripides "Der rasende Herakles". Nachdem dieser seine Taten vollbracht hat, schlachtet er wie aus dem Nichts seine eigene Familie ab. Der zweite Mythos ist der von Kadmos, der den Drachen tötet, ihm die Zähne zieht und diese aussät. Aus den Zähnen entstehen bewaffnete Männer, die sich gegenseitig bekriegen, bis fünf überleben. Mit diesen gründet er Theben. Jelinek versteht Wut als nicht nachvollziehbare männliche Raserei, als die Lust am Töten. Der Traum der AfD ist, dass wir endlich wieder einen gemeinsamen Feind benennen.
Elfriede Jelinek hat das Stück kurz nach den Attentaten auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt geschrieben. Wenn Sie nach den positiven Konnotationen der Wut fragen, ist da ihre eigene. Sie bezeichnet sich selbst als Wütende, die nicht aufhören kann, sich über die gebrechliche Einrichtung der Welt aufzuregen und wütet gegen das permanent um sich greifende Leid. Für eine Schriftstellerin liegt hier auch ein Moment des Scheiterns, als Theaterleute sind wir mit ihr im selben Boot. Es ist die Ohnmacht der Kunst angesichts einer mörderischen Realität.
Termine: Freiburg, "Wut", Theater, Premiere: Fr, 18. Okt., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen: 25. und 31. Okt. von ahof
Schmidt-Rahmer: Diese Zwickmühle wird von Jelinek thematisiert. Sie sagt einerseits, du sollst dir kein Bildnis machen, um den Täter nicht auch noch zu heroisieren. Andererseits kann man die Sucht nach diesen Bildern nicht leugnen. Klaus Theweleit befasst sich in seinem Buch "Das Lachen der Täter", mit der Frage, woher die Sucht und das Glück des jungen männlichen Täters kommen, seine Tat in der Öffentlichkeit zu sehen. Jelinek benutzt sein Buch als Ausgangsmaterial für "Wut".
Ticket: Es ist überhaupt viel von Männlichkeit zu hören, stammen die Textpassagen von Björn Höcke?
Schmidt-Rahmer: In einer Rede hat Björn Höcke gesagt, dass wir unsere Männlichkeit wiederentdecken müssen, denn nur, wenn wir männlich sind, sind wir auch wehrhaft. In der Verteidigung gegen die vermeintlichen Invasoren fordert er ein kämpferisches Männerbild für Deutschland. Im Kopf dieses Mannes gibt es Vernichtungsfantasien, die in schwache Personen wie die weltweiten Amokläufer implementiert werden. Es sind die Worte eines Björn Höcke, mit denen der Hallenser Täter seine Taten legitimiert.
Ticket: Wut ist ein ambivalentes Gefühl. Es ist zerstörerisch, kann aber auch Energie freisetzen. Elfriede Jelinek verbindet es in ihrem Stück zudem mit der Antike.
Schmidt-Rahmer: In "Wut" gibt es zwei zentrale Mythen. Der eine ist das Stück von Euripides "Der rasende Herakles". Nachdem dieser seine Taten vollbracht hat, schlachtet er wie aus dem Nichts seine eigene Familie ab. Der zweite Mythos ist der von Kadmos, der den Drachen tötet, ihm die Zähne zieht und diese aussät. Aus den Zähnen entstehen bewaffnete Männer, die sich gegenseitig bekriegen, bis fünf überleben. Mit diesen gründet er Theben. Jelinek versteht Wut als nicht nachvollziehbare männliche Raserei, als die Lust am Töten. Der Traum der AfD ist, dass wir endlich wieder einen gemeinsamen Feind benennen.
Elfriede Jelinek hat das Stück kurz nach den Attentaten auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt geschrieben. Wenn Sie nach den positiven Konnotationen der Wut fragen, ist da ihre eigene. Sie bezeichnet sich selbst als Wütende, die nicht aufhören kann, sich über die gebrechliche Einrichtung der Welt aufzuregen und wütet gegen das permanent um sich greifende Leid. Für eine Schriftstellerin liegt hier auch ein Moment des Scheiterns, als Theaterleute sind wir mit ihr im selben Boot. Es ist die Ohnmacht der Kunst angesichts einer mörderischen Realität.
Termine: Freiburg, "Wut", Theater, Premiere: Fr, 18. Okt., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen: 25. und 31. Okt. von ahof
am
Fr, 18. Oktober 2019