Theater

Eröffnungsfestival in Zürich

Das Intendantenduo von Blomberg/Stemann geht in Zürich an den Start.

Es klingt so, als wollten sie das Stadttheater mal wieder neu erfinden. Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, der Regisseur und der Dramaturg, treten an diesem Wochenende als neues Zürcher Intendantenduo an – und mit ihnen sieben Regisseure und Regisseurinnen, die sich für drei Jahre ans Haus binden.

Und das heißt auch: in die Stadt an der Limmat zu ziehen, dort zu leben, mit den Menschen in Kontakt und ins Gespräch kommen. "Wir wollen Präsenz vor Ort zeigen", sagt Blomberg im Gespräch. Das Theater will "Teil der Stadtgesellschaft" werden.

Ein schönes Ansinnen – eine, so der Ko-Intendant, "bewusste Setzung", um dem an vielen Schauspielhäusern grassierenden Produktionszwang zu entkommen. Damit es den Leuten aber nicht langweilig wird, haben die beiden, die seit zwölf Jahren zusammenarbeiten, noch vier weitere Gastregisseure verpflichtet: Johan Simons, mit dessen Bochumer Schauspielhaus es zum Produktionsaustausch kommen wird, der Schweizer Regisseur Milo Rau, der zur Zeit das Theater in Gent leitet, der gebürtige Zürcher Christoph Marthaler, der pro Jahr eine Inszenierung machen wird, und Brasilianerin Christine Jahaty – allesamt sind diese vier regelmäßig Gäste auf den großen internationalen Theaterfestivals.

Die acht, die zur engeren Theaterfamilie gehören, stehen für sehr unterschiedliche Handschriften, die sie beim mehrtägigen Eröffnungsfestival mit je einer – von anderen Häusern übernommenen – Lieblingsproduktion vorführen. Christopher Rüping, eben von der Fachzeitschrift Theater heute zum Regisseur der Jahres gekürt, ist mit "Der erste fiese Typ" nach dem Roman von Miranda July dabei, Nicolas Stemann selbst zeigt seine mehrstündige, erstmals bei den Salzburger Festspielen aufgeführte Inszenierung "Faust I & II". Die Polin Yana Ross, setzt in "Wunschkonzert" von Franz Xaver Kroetz die grandiose Schauspielerin Danuta Stenka in einem intensiven Solo in Szene.

Aus den USA kommen die bildende Künstlerin Wu Tsang, die mit "Sudden Rise" ein performatives genreübergreifendes Projekt vorstellt, und der Choreograph Trajal Harrell, der in "In The Mood for Frankie" drei Tänzer auf einen Laufsteg schickt – und das Publikum drumherum platziert. Dann gibt es noch die Regisseurin, Performerin und Bildende Künstlerin Leonie Böhm, der es in ihrer Inszenierung von Horváths Sozialdrama "Kasimir und Karoline" darum geht, "die Kasimirs und Karolines in uns zu suchen" (Programmflyer) und, last but noch least, die Schweizerin Suna Gürler, die mit "Flex" ein Stück nach Interviews und Texten der jungen britischen Feministin Laurie Penny entwickelt hat. Jugendtheater? Mitnichten. Solche Abgrenzungen machen im Theater von Blomberg und Stemann keinen Sinn mehr. Diverser, offener, durchlässiger in alle Richtungen soll das Haus werden – so wie das auf 35 Mitglieder aufgestockte Ensemble ein vielfältiges Gesicht haben wird.

Es kommt nichts weniger als eine ästhetische Umwälzung zu auf das Zürcher Publikum, das sie bei Barbara Frey mehr oder weniger im sicheren Hafen des dramatischen Kanons fühlen durfte. Die neue Intendanz darf gespannt sein, wie die im Kern eher konservativen Schweizer auf die Durchmischung von Sparten, Kulturen und Genres reagieren. Dem Intendanten Christoph Marthaler zeigten sie einst die kalte Schulter. Er musste gehen, weil die Zahlen nicht stimmten. Der äußerst eloquente Benjamin von Blomberg setzt darauf, dass aus den vielen heterogenen theatralen Angeboten ein "großes schönes Ganzes" hervorgeht. Man müsse ihm nur Zeit geben zu wachsen.

Termin: Eröffnungsfestival bis 15. September.
von Bettina Schulte
am Fr, 13. September 2019

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