Oper

Felicitas Brucker inszeniert Mozarts Oper "Così fan tutte" am Theater Freiburg

TICKET-INTERVIEW: Felicitas Brucker inszeniert "Così fan tutte" in Freiburg.

Zwei junge Paare, ein alter Philosoph und eine kecke Kammerzofe: Das ist die Konstellation, aus der heraus Mozarts und Da Pontes geniale komische Oper "Così fan tutte" ein groteskes Spiel um die Frage nach der Treue entwickelt. Am Theater Freiburg feiert mit ihr Regisseurin Felicitas Brucker ihr Debüt im Musiktheater. Alexander Dick sprach mit ihr darüber.

Ticket: Frau Brucker, wie geht’s Ihnen derzeit, wenn Sie ins Bett gehen? Können Sie die "Così"-Musik noch aus dem Kopf bekommen?
Brucker: Nein, die läuft weiter – unentwegt. Manchmal in Loops...
Ticket: "Così fan tutte" ist Ihre erste Opernregiearbeit. Warum dieses Stück?
Brucker: Das kam durch ein Gespräch mit Intendantin Barbara Mundel. Anknüpfungspunkt waren Goethes "Wahlverwandtschaften", die ich hier vor neun Jahren inszenierte. Da gibt es Überschneidungen: Es findet ein Menschenversuch statt, bei dem Menschen wie Moleküle unter die Lupe genommen werden und als sicher geglaubte Wertvorstellungen und Gefühle erschüttert werden. Es gibt aber auch andere Opern, die mich interessiert hätten.
Ticket: Die Frage der Haltung ist bei diesem Stück im Hinblick auf die Rezeptionsgeschichte eine ganz wichtige. Das 19. Jahrhundert hat es abgelehnt, fand es zu frivol. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es rehabilitiert. Aus heutiger Sicht, in der Political Correctness und Gender-Debatten wichtige Rollen einnehmen, könnte man eine entgegengesetzte Entwicklung erwarten, die "Così fan tutte" wieder in Misskredit bringt.
Brucker: Absolut. In unserer Interpretation sind die Frauen nicht unwissende, blinde Opfer einer Intrige, die am Ende ihre große Enttäuschung und Überraschung erleben. Die Musik erzählt viel mehr Schichten als das eindeutige Libretto, und bei allem Respekt vor der Partitur möchte ich das Stück so lesen, dass es für uns heute eine Relevanz hat. Dabei sind die Frauen Mitwisser– alle sind Täter und Opfer gleichermaßen. Im Plot wird die Treue der Frauen getestet, doch es sind die Männer, die den Partnertausch beschleunigen; also tragen beide Seiten dazu bei, dass etwas in die Brüche geht. Und es gibt Punkte, an denen echte Verletzungen entstehen durch vorgetäuschte Gefühle und Empfindungen. Männer wie Frauen erleiden einen emotionalen Kontrollverlust und werden in der Wahrnehmung ihrer eigenen und der Identität des anderen irritiert. Das Gegenüber und man selbst entpuppt sich am Ende als jemand anderes. Diesen Kontrollverlust erleben beide Paare, unabhängig von klassischen Geschlechterrollen. Und gemäß der Figur Despinas würde die Oper im Sinne der französischen Revolution auch heißen "Alle Frauen sind gleich". Sie ist das irritierende, subversive Element in diesem Gefüge.
Ticket: Gerade bei den Männern könnte man auch fragen: Sind die Jüngeren Opfer des Alten – Alfonso –, der die Intrige inszeniert?
Brucker: Keiner geht unbeschadet hervor. Alfonso und Despina führen dieses Spiel gemeinsam. Alfonso, der Zyniker und Aufklärer, wird aber auch immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, muss sich seine Lebenshaltung aufs Neue beweisen. Die jungen Männer, die ihre Beziehungen und ihre Gefühle unter Kontrolle haben möchten, werden in ihrem Übermut, Narzissmus und Glauben erschüttert. Stattdessen wird im zweiten Akt eine Welt erlebbar, in der Emotionen nicht schmerzfrei und abgrundfrei sind. Wenn sich die Paare am Ende wiederbegegnen, stellt sich die Frage, wie man sich neu begegnen kann, wie man gemeinsam auf die Welt schauen kann.
Ticket: Wo verorten Sie Ihre Inszenierung?
Brucker: Die Raumlösung möchte ich nicht verraten. Die Inszenierung ist von einem heutigen Menschenbild her gedacht, es gibt aber Zitate aus der Entstehungszeit.

Termine: Freiburg, "Così fan tutte" (musikalische Leitung: Daniel Carter), Theater, Großes Haus, Premiere: Sa, 28. Mai, 19.30 Uhr; weitere Aufführungen: 4., 17. und 24. Juni sowie 14. und 22. Juli, jeweils 19.30 Uhr
von adi
am Fr, 27. Mai 2016

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