Schauspiel

Frank Castorf inszeniert Dürrenmatts Kriminalroman "Justiz" im Zürcher Pfauen

Frank Castorf inszeniert in Zürich Friedrich Dürrenmatts Kriminalroman "Justiz".

Das Corbusier-Haus am Zürichsee, die Straßenbahnhaltestelle am Bellevue und das Porno-Kino Roland in Niederdorf: Teile dieser drei Gebäude ergeben das Bühnenbild zur Produktion "Justiz" nach Friedrich Dürrenmatts Kriminalroman, die am Samstag in der Regie von Frank Castorf am Zürcher Schauspielhaus Premiere hat. Im Inneren des Bühnengebildes, einem kleinen Restaurant, geschieht in aller Öffentlichkeit ein Mord.

Diese Gewalttat ist der Ausgangspunkt in "Justiz", einem Stück, das anhand der Geschichte des Mordes grundlegende Fragen nach Gerechtigkeit und nach dem Sinn und Wesen des Justizapparats aufwirft. Eben diese Fragen sind es, die Regisseur Frank Castorf in seiner Inszenierung in den Mittelpunkt stellt, erzählt die Dramaturgin Amely Haag. "Castorf interessiert sich für die philosophische Dimension des Romans". Dürrenmatts Werk spielt in einer Welt, in der Gerechtigkeit nichts mit Justiz zu tun hat.

So beauftragt der inhaftierte Kantonsrat Kohler, der zuvor in aller Gelassenheit und vor den Augen mehrerer Restaurantbesucher den Literaturprofessor Winter erschoss, den jungen Anwalt Spät, seinen Fall erneut aufzurollen. Der Anwalt soll den Kasus unter dem Vorbehalt untersuchen, dass Kohler nicht der Mörder sei. Mit diesem Auftrag beginnen die Wirren um Wirklichkeit und Möglichkeit. "Dürrenmatt entlarvt, wie Rachemord zu einer Antwort auf ein gesellschaftliches System werden kann, in der das Gesetz und nicht die Gerechtigkeit herrscht", so die Stückbeschreibung des Zürcher Schauspielhauses. Wechselnde Erzählperspektiven, verwinkelte Erzähletappen und Zeitsprünge tragen zur Komplexität des Werks bei. Castorf folge in seiner Inszenierung jedoch der Dramaturgie und der Chronologie des Romans, erklärt Amely Haag: "Die Zuschauerin oder der Zuschauer wird sich , wie beim Lesen des Romans, in dieses Labyrinth begeben müssen, ohne immer alles logisch zu verstehen".

Während Castorf seinem postdramatischen Stil mit der experimentellen Nutzung von Kameras und mit der Live-Übertragung auf Leinwänden treu bleibt, musste er sich bei der Inszenierung von "Justiz" jedoch einer Verlagsvorgabe beugen: Der Schweizer Diogenes-Verlag, der Dürrenmatt (1921–1990) verlegt, schreibt vor, dass nur originale Texte des Autors verwendet werden dürfen, erklärt Amely Haag. Castorfs Markenzeichen, seine Stücke mit Material aus fremden Filmen, Dramen und Reden zu ergänzen, ist auch aufgrund des Urheberrechts, das erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors erlischt, hier nicht möglich . Amely Haag sagt, es sei für Castorf "ungewöhnlich, dass er sich so komplett auf einen Text konzentriert". Lediglich Fremdtexte aus anderen Werken Dürrenmatts werden rezitiert. Im Verhältnis zum ganzen Abend tauchen diese jedoch nur sporadisch auf, sagt Amely Haag. Der Originaltext sei gekürzt worden, ist aber "in seiner Kompliziertheit erhalten". Die Passagen, in denen Recht und Gerechtigkeit kontrastiert werden und in denen das sogenannte Justiztheater entlarvt wird, sind in der Inszenierung zentral. Wie auch der Kern des Stücks, die Frage "Wer ist schuldig?", die Dürrenmatt am Ende des Romans stellt.

Termine: Zürich, "Justiz", Schauspielhaus, Pfauen, Premiere: Sa, 13. April, 19 Uhr. Karten: Tel. 0041/44/2587777
von Antonia Diederich
am Fr, 12. April 2019

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