Theater

Freiburg: Das Musiktheater "Schau mich an" handelt vom Kampf um die Konstruktion der Identität

Das Musiktheater "Schau mich an" handelt vom Kampf um die Konstruktion der Identität.

"Schau mich an" verwebt drei literarische und musikalische Vorlagen zu einem Musiktheater, das sich formale und ästhetische Identitätsfragen ebenso stellt wie seine handelnden Figuren: Größenwahnsinnige Selbstentwürfe, lähmende Projektionen, verpasste Begegnungen und der Kampf um die Konstruktion einer Identität wie auch ihr Verlust beschäftigen Protagonisten und Autoren dieser Kreation gleichermaßen.

Warum, fragt sich der Erzähler in "Der Kabbalist vom East Broadway" (1974) des Literaturnobelpreisträgers Isaac B. Singer, gibt sich der alte Mann aus dem Café in New York mit einem kargen und einsamen Leben im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten zufrieden, wo er doch in Israel ein gefeierter Gelehrter sein könnte? Und wer schaut ihn dabei wirklich noch an?

Warum verdreht die Zauberin Alcina in Georg Friedrich Händels gleichnamiger Oper von 1735 die Gefühle und Gewissheiten aller zu einem Alles-ist-möglich immer, mit jeder und mit jedem, so dass am Ende niemand mehr weiß, was wahr ist, wahr war und wahr sein wird? Und wer schaut Alcina dabei hinter die Fassade?

Und warum verliert das erzählende Ich in Ingeborg Bachmanns Roman "Malina" (1971) ebenso sehr den Kontakt zu sich selbst wie zu seinem gesamten Umfeld und entgleitet, von Beziehungen nur noch träumend, sich und der Welt in einen schwermütigen Dämmerzustand? Und wer schaut zu und kann es retten?

Mit Johann Diel, Jahrgang 1988, Student an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, inszeniert ein vielversprechender junger Regisseur dieses Musiktheaterstück. Im vergangenen Jahr nahm er mit seinem Stück "Hasen-Blues.Stopp", das geschlechtliche Identität auf einfache und humorvolle Weise erklären will, beim Körber Studio Junge Regie teil, einem Festival und Wettbewerb für Studenten und Studentinnen der deutschsprachigen Regie-Hochschulen. Für den 30-Jährigen haben die drei in "Schau mich an" verknüpften Texte trotz ihrer Unterschiede eines gemeinsam: "Die Figuren sind auf der Suche nach anderen Möglichkeiten." Sie kämen im Hier und Jetzt, da sie es vergleichen mit dem, was sein könnte, nie vollständig an. Diese Suche sei typisch für unsere Gesellschaft, sagt Diel. "Wir denken auch andauernd: Hätte ich doch oder könnte ich nicht..." Mit sozialen Netzwerken könne man sich zudem ein fiktives, mögliches Leben erschaffen. Und auch wenn diese digitale Lebenswelt nicht auf die Bühne übertragen wird, hält "Schau mich an" dem Publikum den Spiegel vor.

Die Produktion ist eine Kooperation des Theaters Freiburg mit der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg und der Freiburger Musikhochschule. Celine Steiner und Ruslan Khazipov, zwei Kompositionsstudierende bei Brice Pauset, stellen sich mit ihren Vertonungen der Texte von Isaac Singer und Ingeborg Bachmann als Musiktheaterkomponisten vor. Die musikalische Leitung hat ihr Lehrer Brice Pauset, es spielen und singen Studierende der Hochschule.

Termine: Freiburg, Theater, Sa, 15. Juni, 20 Uhr, So, 16. Juni, 19 Uhr
von Theresa Steudel
am Fr, 14. Juni 2019

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