Freiburg
Galerie Baumgarten feiert ihr 40-jähriges Bestehen mit zwei Ausstellungen
Die Geschichte ging anders als gedacht. Lehrer hatte er werden wollen. Vom einen Tag auf den andern war er dann Galerist (BZ vom 1. Juli). "Der Sprung ins berühmte kalte Wasser", sagt er. Man freut sich, ihn noch heute in Freiburg darin zu sehen. 40 Jahre danach und lange, nachdem aus dem "Haus zum Dachs" die Galerie Albert Baumgarten wurde. Wer wird als Galerist schon 40?
Im Buch zur Doppelausstellung zum Jubiläum – "Farbe bekennen", dem Blick ins Bilderlager in der Galerie, und "Vor/Nachbild" im Freiburger Morat-Institut – erklären Freunde, wie man sein muss, um Albert Baumgarten zu sein. Augenmensch und Kommunikator, Generalist und gewandter Bühnenakteur. Der leidenschaftliche Erzähler hat es in diesem Moment der Erinnerung nun auch fertiggebracht, dass Künstler von sich selbst etwas sagen. Der Maler Raimer Jochims hatte ihn mit der Frage konfrontiert, die er hier weitergibt. "Wie wollte ich werden, als ich jung war?" Herausgekommen ist im Morat-Institut eine vielstimmige und überraschend leichtflüssige Schau.
Im Vorraum in Vitrinen legt Baumgarten, der Galerist und Verleger, seine Kataloge und Bücher aus. Im Vestibül führt Jan Peter Tripp durch einen Seiteneingang ins Thema. Im intimen Kleinformat zeigt er die sehr jungen Gesichter späterer Großer. Wie sie werden wollten? Wer weiß. Was sie wurden, ist die Geschichte, die man kennt. Hemingway, Beckett, Charlie Chaplin. Von Artur Stoll hängt eins der Bilder, die schon im Titel die Selbstsuche des Malers beschreiben: "Stoll-Dürer-Hasenstall". Norsingen, das Dorf seiner Kindheit, alles drehte sich darum. Stoll und Stall, das wurde zum Reim. Das Verlorene sucht er in der Kunst wieder. Hier mit einem Norsinger Hasen frei nach Dürer. Wie er werden wollte? Das, was er war. Artur aus Norsingen. "Stoll de Norso", gräbt der Pinselstiel in die Farbe.
Dass Sankt Lukas der Patron der Maler ist, das sagt denen der Videokünstler Herbert Wentscher. Und auch den Grund, warum der Heilige bei der Arbeit am Bild der Muttergottes einschlief. Es war das Geräusch des saugenden Christkinds, das ihn alles Wohlsein der Welt empfinden und die Augen schließen ließ. Eher historisch beglaubigte Vorbilder ruft nun aber die Ausstellung gleich eine ganze Reihe auf. Goya, Leonardo, Giacometti, Holbein... Herbert Maier setzt zwei Hauptwerke von Velázquez und Matisse gekonnt in eins und gesellt sich selbst, nebst Farbeimer als Attribut, zu den Porträts der beiden. "Mit Henri und Diego im Dunkelraum", nennt er das malerisch montierte Gruppenbild. Ein ironisches Nocturne. Ein Gruß an die Alten. "Bonjour Monsieur Herbert."
Für Thomas Kitzinger ist Hans Holbein d. J. der Fixstern, der Maler ohne hohen Ton. Dessen Basler "Christus im Grab" hat Dostojewski im Roman "Der Idiot" auf den Punkt gebracht. "Dies Bild hat die Kraft, den Glauben auszulöschen." Kitzinger, der sagt, "Mir gab es den Glauben an die Malerei", malt seinen toten Holbein-Christus als Stillleben, vollkommen kühl und illusionslos. Cornelius Völker zitiert mit Manet Malereigeschichte – und in Gestalt eines Bergs von Kunstkatalogen ein gewaltiges Erbe. Stefanie Gerhardt malt miniaturhaft "Nachts im Wald". Ein Schneebild, in dem das Personal von Leonardos "Abendmahl" hinter einer Bodenwelle vorm dunklen Waldgrund flüchtig aufscheint, wie im Licht eines Autoscheinwerfers.
Günther Holders großes Holz scheint bauchig wie ein Gefäß. Aber es bewahrt nichts. Das, was es aufnimmt, im Spiegel seiner rot lackierten Oberfläche, reflektiert es im Moment. Ein Gefäß für die Gegenwart. Der Maler/Bildhauer verbindet es mit einem Zitat von Marcel Proust und bedenkt die Bedeutung der Literaten für seine Arbeit. Peter Dreher, der in der Halle neben Holder und ins Zentrum rückt, zitiert Hugo von Hofmannsthal. Nicht in der Festschrift zum aktuellen Anlass, sondern in "Ich.mich", dem Bändchen mit Erinnerungen und Gedanken, das der Freund Albert Baumgarten noch unlängst für ihn herausgab: "Die Tiefe muss man verstecken. – Wo? – An der Oberfläche." Den Gläsern von Drehers "Tag um Tag. . ." ist Holder durchaus nah. Die sind auch so lapidar, so leer. Und Dreher und der Japaner Yamamoto, die würden sich verstehen: Das weiß der Galerist.
Allerdings gab der Fotograf aus dem Fernen Osten klar zu erkennen, wie fern ihm die Frage ist, die die Ausstellung stellt. Warum ein Woher oder Wohin sich erklären? Warum hirnen, wenn die Welt ohne dies einleuchtet? Im Fuji im Dämmerlicht. Nur zum Beispiel.
Im Buch zur Doppelausstellung zum Jubiläum – "Farbe bekennen", dem Blick ins Bilderlager in der Galerie, und "Vor/Nachbild" im Freiburger Morat-Institut – erklären Freunde, wie man sein muss, um Albert Baumgarten zu sein. Augenmensch und Kommunikator, Generalist und gewandter Bühnenakteur. Der leidenschaftliche Erzähler hat es in diesem Moment der Erinnerung nun auch fertiggebracht, dass Künstler von sich selbst etwas sagen. Der Maler Raimer Jochims hatte ihn mit der Frage konfrontiert, die er hier weitergibt. "Wie wollte ich werden, als ich jung war?" Herausgekommen ist im Morat-Institut eine vielstimmige und überraschend leichtflüssige Schau.
Sankt Lukas ist der Patron der Maler
Im Vorraum in Vitrinen legt Baumgarten, der Galerist und Verleger, seine Kataloge und Bücher aus. Im Vestibül führt Jan Peter Tripp durch einen Seiteneingang ins Thema. Im intimen Kleinformat zeigt er die sehr jungen Gesichter späterer Großer. Wie sie werden wollten? Wer weiß. Was sie wurden, ist die Geschichte, die man kennt. Hemingway, Beckett, Charlie Chaplin. Von Artur Stoll hängt eins der Bilder, die schon im Titel die Selbstsuche des Malers beschreiben: "Stoll-Dürer-Hasenstall". Norsingen, das Dorf seiner Kindheit, alles drehte sich darum. Stoll und Stall, das wurde zum Reim. Das Verlorene sucht er in der Kunst wieder. Hier mit einem Norsinger Hasen frei nach Dürer. Wie er werden wollte? Das, was er war. Artur aus Norsingen. "Stoll de Norso", gräbt der Pinselstiel in die Farbe.
Dass Sankt Lukas der Patron der Maler ist, das sagt denen der Videokünstler Herbert Wentscher. Und auch den Grund, warum der Heilige bei der Arbeit am Bild der Muttergottes einschlief. Es war das Geräusch des saugenden Christkinds, das ihn alles Wohlsein der Welt empfinden und die Augen schließen ließ. Eher historisch beglaubigte Vorbilder ruft nun aber die Ausstellung gleich eine ganze Reihe auf. Goya, Leonardo, Giacometti, Holbein... Herbert Maier setzt zwei Hauptwerke von Velázquez und Matisse gekonnt in eins und gesellt sich selbst, nebst Farbeimer als Attribut, zu den Porträts der beiden. "Mit Henri und Diego im Dunkelraum", nennt er das malerisch montierte Gruppenbild. Ein ironisches Nocturne. Ein Gruß an die Alten. "Bonjour Monsieur Herbert."
Für Thomas Kitzinger ist Hans Holbein d. J. der Fixstern, der Maler ohne hohen Ton. Dessen Basler "Christus im Grab" hat Dostojewski im Roman "Der Idiot" auf den Punkt gebracht. "Dies Bild hat die Kraft, den Glauben auszulöschen." Kitzinger, der sagt, "Mir gab es den Glauben an die Malerei", malt seinen toten Holbein-Christus als Stillleben, vollkommen kühl und illusionslos. Cornelius Völker zitiert mit Manet Malereigeschichte – und in Gestalt eines Bergs von Kunstkatalogen ein gewaltiges Erbe. Stefanie Gerhardt malt miniaturhaft "Nachts im Wald". Ein Schneebild, in dem das Personal von Leonardos "Abendmahl" hinter einer Bodenwelle vorm dunklen Waldgrund flüchtig aufscheint, wie im Licht eines Autoscheinwerfers.
Günther Holders großes Holz scheint bauchig wie ein Gefäß. Aber es bewahrt nichts. Das, was es aufnimmt, im Spiegel seiner rot lackierten Oberfläche, reflektiert es im Moment. Ein Gefäß für die Gegenwart. Der Maler/Bildhauer verbindet es mit einem Zitat von Marcel Proust und bedenkt die Bedeutung der Literaten für seine Arbeit. Peter Dreher, der in der Halle neben Holder und ins Zentrum rückt, zitiert Hugo von Hofmannsthal. Nicht in der Festschrift zum aktuellen Anlass, sondern in "Ich.mich", dem Bändchen mit Erinnerungen und Gedanken, das der Freund Albert Baumgarten noch unlängst für ihn herausgab: "Die Tiefe muss man verstecken. – Wo? – An der Oberfläche." Den Gläsern von Drehers "Tag um Tag. . ." ist Holder durchaus nah. Die sind auch so lapidar, so leer. Und Dreher und der Japaner Yamamoto, die würden sich verstehen: Das weiß der Galerist.
Allerdings gab der Fotograf aus dem Fernen Osten klar zu erkennen, wie fern ihm die Frage ist, die die Ausstellung stellt. Warum ein Woher oder Wohin sich erklären? Warum hirnen, wenn die Welt ohne dies einleuchtet? Im Fuji im Dämmerlicht. Nur zum Beispiel.
Galerie Baumgarten, Freiburg. Bis 23. Juli, Di bis Fr 15–19, Sa 11–15, Mi, Do auch 10–12 Uhr.
Morat-Institut, Freiburg. Bis 13. August, Sa, So 11–18 Uhr.
von Volker Bauermeister
Morat-Institut, Freiburg. Bis 13. August, Sa, So 11–18 Uhr.
am
Mi, 06. Juli 2016