Roman

Heinz Strunk: "Der goldene Handschuh"

Eigentlich ist Heinz Strunk eher ein Blödler. Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler hatte seinen kommerziellen Durchbruch mit Fleisch ist mein Gemüse, davor produzierte er CDs wie Der Mettwurstpapst, heute tourt er mit der gefälschten Band Fraktus durchs Land oder tritt im Fernsehen in der Satiresendung Extra3 als Experte für alles auf. Mit Der goldene Handschuh wechselt Strunk das Metier – und wie. Der goldene Handschuh ist eine Hamburger Spelunke übelster Gattung, hier trinken, nein, saufen die, die ganz unten angekommen sind – und da auch nicht mehr rauskommen. Es ist die Stammkneipe des Frauenmörders Fritz Honka, hier findet er zwischen literweise Fanta-Korn und Typen wie Bulgaren-Harry und Doornkaat-Willy seine späteren Opfer: Frauen, nach denen nach ihrem Tod niemand sucht. Die Geschichte ist keine Fiktion. Strunk hat in Archiven die Geschichte des Mannes recherchiert, der zwischen 1970 und 1975 vier Frauen tötete. Das Buch ist nichts für Zartbesaitete. Es ist ein Blick in den Abgrund, es ist ekelig, trostlos, beschämend, brutal. Aber es ist eben auch eine enorme erzählerische Leistung, der einen ungefilterten Blick darauf gibt, wie Menschen kaputtgehen können und welche Blüten ihr Geist treibt. Übrigens nicht nur im Säufer-Milieu, ein zweiter Handlungsstrang erzählt von den Kaputten am oberen Ende der sozialen Hierarchie. Strunk richtet den Blick dorthin, wo andere sich abwenden, ganz ohne moralischen Zeigefinger. Gute Literatur muss nicht immer schön sein.

Heinz Strunk: Der goldene Handschuh, Rowolt Verlag, Reinbeck bei Hamburg 2016, 253 Seiten, 19,95 Euro.
von Sebastian Wolfrum
am Sa, 23. Juli 2016

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