Interview

Helen Mirren: „Ich kam richtig ins Schwitzen!“

TICKET-INTERVIEW: Helen Mirren über die deutsche Aussprache, Geschichtsbewusstsein und ihre Familie.

Sie gehört zu den großen Damen des englischen Kinos, neben Vanessa Redgrave, Judi Dench und Maggie Smith: Helen Mirren (69). Seit 2003 darf sie sich tatsächlich Dame Helen nennen, drei Jahre später spielte sie in "The Queen" die englische Königin Elisabeth II. – ihre wohl berühmteste Filmrolle, wofür sie den Oscar bekam. In ihrem Film "Die Frau in Gold" porträtiert sie Maria Altmann, die den österreichischen Staat auf Rückgabe der einst von den Nazis aus dem Familienbesitz gestohlenen Gemälde verklagte und nach einem jahrzehntelangen Rechtsstreit gewann. Besonders wertvoll: "Die goldene Adele" von Gustav Klimt. Markus Tschiedert sprach mit Helen Mirren.


Ticket: Kannten Sie die Geschichte des gestohlenen Gemäldes "Die goldene Adele" vor dem Film bereits?
Helen Mirren: Ich wusste natürlich, wer Gustav Klimt ist, und kannte auch seine Gemälde. In meiner Studienzeit klebte man sich Klimt-Poster mit Kaugummis übers Bett, um es sich netter zu machen. Er war also sehr populär, aber dieser Fall war mir nicht bekannt.
Ticket: Lernten Sie für die Rolle einer emigrierten Österreicherin auch etwas Deutsch?
Mirren: Nur das, was man im Film hört. Mir wurde eine großartige Lehrerin an die Seite gestellt, die mich sehr unterstützt hat. Ich hatte wahnsinnige Angst, es falsch auszusprechen. Außerhalb Deutschlands und Österreichs mag es ja egal sein, aber für die Geschichte war es umso wichtiger. Beim Drehen der Szene kam ich richtig ins Schwitzen (lacht).
Ticket: Aber als Engländerin mit russischen Wurzeln fallen Ihnen neue Sprachen sicherlich leicht?
Mirren: Nicht, wenn man noch nie damit zu tun hatte! Selbst Russisch spreche ich in Filmen wie Deutsch – phonetisch! Französisch und Italienisch spreche ich, Spanisch nicht fließend, aber ich verstehe viel. Aber Deutsch kann ich nicht im Geringsten.
Ticket: Hat es Ihnen etwas ausgemacht, eine Frau zu spielen, die doch einige Jahre älter ist als Sie?
Mirren: Das stimmt, Maria Altmann war zu jener Zeit schon älter als ich heute. Wir hatten uns aber darauf geeinigt, daraus keine große Sache zu machen. Irgendwelche Gesichtsprothesen kamen für mich sowieso nicht in Frage. Make-up kann schon sehr perfekt und realistisch sein, aber die Wirkung kann auch schnell wieder verschwinden, und dann sind die Zuschauer nur noch damit beschäftigt, aufs Make-up zu achten anstatt auf das, was wirklich wichtig ist.
Ticket: Klingt, als hätten Sie sich mit ihr genau auseinandergesetzt.
Mirren: Absolut! Es gab mal eine Debatte, bei der sie gefilmt wurde. Diese Aufnahmen habe ich mir immer wieder angesehen, weil die Kamera lang auf ihr Gesicht gerichtet ist. Das war sehr hilfreich! Außerdem habe viel gelesen, doch letztlich muss man sich auf das Drehbuch verlassen. Und man nutzt seine Vorstellungskraft und verschafft sich ein Gefühl für seine Figur.
Ticket: Wie wichtig sind Ihnen Filme wie "Frau in Gold", um Geschichte wieder ins Bewusstsein zu rufen?
Mirren: Das stimmt! Die Geschichte, die wir hier erzählen, ist schnell wieder in Vergessenheit geraten, und sie ist gewiss nicht die einzige. Menschen, die sie erlebt und in Erinnerung behalten haben, sind von uns gegangen – und bald wird keiner mehr von ihnen mehr da sein. Es ist wichtig, daran immer wieder zu erinnern, was einst geschehen ist. Auch deshalb, weil es schreckliche Ereignisse immer wieder geben wird und gerade auch geschehen, wenn wir uns ansehen, was momentan im Mittleren Osten und Nigeria durch Boko Haram passiert.
Ticket: Das macht Sie betroffen...
Mirren: Weil es eine nicht endende Menschheitsgeschichte ist. Es ist unglaublich, mit welcher Brutalität sich Menschen bekriegen können.
Ticket: Auch Ihre Familiengeschichte – vom adligen russischen Großvater, der nach der Revolution nicht mehr zurückkehren konnte – wäre eine Verfilmung wert...
Mirren: Ja, der russische Teil würde sie dafür anbieten – das ist wahr! Für viele Leute wie Maria Altmann war die Vergangenheit so extrem und unüberwindlich, dass sie nur noch in der Gegenwart lebten und einfach nach vorne schauten. Das war der einzige Weg, um zu leben. Genauso war es in unserer Familie. Man kann durch einen Krieg so viel verlieren...










von tsc
am Mi, 03. Juni 2015

Die Frau in Gold

Regie: Simon Curtis
Mit Helen Mirren, Ryan Reynolds, Katie Holmes, Daniel Brühl, Max Irons, Charles Dance und anderen
107 Min., ohne Altersbeschränkung
Die Story
Während des Zweiten Weltkriegs konnte sich die Jüdin Maria Altmann (Helen Mirren) aus Österreich in die USA retten. Jahrzehnte später fordert sie der Anwalt Randol Schoenberg (Ryan Reynolds) auf, Österreich auf die Rückgabe gestohlener Gemälde ihrer Familie zu verklagen, die inzwischen ein Vermögen wert sind. Besonders das Jugendstil-Porträt, das Gustav Klimt einst von ihrer Tante Adele malte.  

Autor: bz

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