Hier muss man sich ständig neu erfinden

Das Institut für Neue Musik an Freiburgs Musikhochschule feiert sein 50-jähriges Bestehen mit einem reichhaltigen Programm.

Die Neue Musik ist tot, lang lebe die Neue Musik! Überspitzt formuliert ist das an einem bestimmten Ort in Freiburg doch in gewisser Weise Realität. Und damit sind nicht die Clubs der Stadt gemeint. Die Rede ist vom Institut für Neue Musik der Musikhochschule Freiburg, das jetzt sein 50-jähriges Bestehen mit einem zweitägigen Fest feiert. Recht unscheinbar sind sie, die Räume des Instituts im Obergeschoss der Hochschule. Aber bedeutend: Hier entstehen die Grundlagen der zeitgenössischen Kompositions- und Interpretationskultur, hier wird eine Basis gelegt für den Fortschritt der Neuen Musik. Schon ein kleiner Blick auf die lange Liste der ehemaligen Leiter, Lehrer und Schüler genügt, um sich von der Bedeutsamkeit des Ortes zu überzeugen: Fortner, Huber, Spahlinger, Cornelius Schwehr, Brian Ferneyhough, Emmanuel Nunes und so weiter.

Heute eine Institution, kann die Gründung des Instituts als reine Pioniertat bezeichnet werden: Man schrieb das Jahr 1964, als das Institut von Wolfgang Fortner mit viel persönlichem Geschick gegründet wurde – als erstes seiner Art in Deutschland. Von Klaus Huber bis Anfang der 90er Jahre und dann von Mathias Spahlinger weitergeführt, ist seit 2009 Cornelius Schwehr Leiter. "Jeder Verantwortliche hat natürlich seine eigene Ausrichtung praktiziert, insgesamt aber ist das Institut kontinuierlich weiterentwickelt worden", meint Schwehr, der selbst am Institut studiert hat. Dabei ist es ein ständiger Spagat, der in einer solchen Institution vollzogen werden muss, eine Haltung à la "die Neue Musik ist tot, lang lebe die Neue Musik" eben. Denn: "Nichts ist der Neuen Musik fremder, als sich selbst ein Museum zu bauen und auch noch einzuziehen", so Schwehr. Wer sich ständig neu erfinden wolle, müsse sensibel bleiben, nicht nur Trends aufgreifen, sondern auch eigene entwickeln.

So muss das Institut stets schleichend sein Gesicht verändern. Nach und nach entstand ein Fundament mit mehreren Säulen, auf denen es fußt: den traditionellen Kompositionsklassen, dem Ensemble für Neue Musik, dem Studio für Elektronische Musik sowie seit 2008 dem Studio für Filmmusik. 20 Studierende lernen derzeit am Institut, betreut von neun Lehrenden.

Die Lehre offen in alle Richtungen zu halten, sieht der 60-jährige Komponist Schwehr als seine Hauptaufgabe: "Neue Mu

sik ist eben keine definierbare Kompositionsrichtung, sondern eine Grundhaltung", konstatiert er. Dabei kann das Institut auf breite Akzeptanz innerhalb der Hochschule bauen. Und wird aktiv eingebunden: Ab kommendem Semester wird es ein Projekt mit dem Studiengang Elementare Musikpädagogik und Rhythmik geben. Vernetzung und Kooperation sind die Schlagworte, nicht nur innerhalb der Hochschule: In jüngster Vergangenheit arbeitete man bei zwei Filmmusikproduktionen für ZDF/Arte und der Beteiligung an einem simultan an verschiedenen Orten stattfindenden Livestream-Konzert mit externen Partnern zusammen.

Kooperationen als probates Mittel, um in der heutigen schnelllebigen Zeit am ebenso schnellen Puls der zeitgenössischen Musik zu bleiben: Das Wichtigste daran sei, wie der Institutsleiter betont, solche Kooperationen langfristig zu erhalten. "Sonst nützen sie niemandem."

Um das Jubiläum mit einem Fest am 5. und 6. Dezember würdig zu feiern, blieb bei der langen Geschichte nur ein Konzept: eine Mischung aus Hommage an die künstlerischen Leistungen von ehemaligen Institutsmitgliedern und Würdigung neuer Wege, die in jüngerer Vergangenheit beschritten wurden. Eine Auswahl nur, aber nach dem Prinzip, über den Tellerrand zu schauen: zwei Ensemblekonzerte mit renommierten Musikern, Klanginstallationen und Filmvorführungen.

Und dass der theoretische Unterbau am Institut nicht zu kurz kommt, beweist die Podiumsdiskussion "Neue Musik? Gerne – aber wozu eigentlich genau?" mit Interpreten, Komponisten, Redakteuren und Organisatoren. Eine berechtigte Frage. Am Institut für Neue Musik in Freiburg ist sie gut aufgehoben.
– Freiburg, Musikhochschule, 5. und 6. Dezember; Karten: Tel. 0761/4968888.

Weitere Infos unter http://www.mh-freiburg.de/institu-
te/institut-fuer-neue-musik
von Fabian Ober
am Fr, 05. Dezember 2014

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