Im Land der Ballons und der 1000 Seen

Jenseits von Elsass und Lothringen durch den kaum bekannten südwestlichen Teil der Vogesen / Angeln verboten, Wandern erlaubt.

F ragt man Südbadener, wie weit es bis zur Mosel ist, dann kommen meist Pisa-mäßige Antworten - und - nach des Rätsels Lösung erstaunte Mienen: 75 Kilometer vom Rheinübergang Neuenburg bis zur Moselquelle am Col de Busang. Noch ein paar Kilometer weiter, südwestlich von Le Thillot, beginnen die weitgehend unbekannten Vogesen, alle deutschen Führer und Wanderkarten sparen die "Vosges Saônoises" südlich von Remiremont und westlich vom Ballon d'Alsace aus.

Dabei hat der Vogesenzipfel der Haute-Saône, so der Name des Departements, das zur Region Franche-Comté gehört, seinen eigenen, recht herben Charakter. Da stehen keine putzigen Fachwerkdörfer mit vielen Geranien, hier dominieren alte Fabrikgebäude und Arbeiterhäuser - und nicht wenige davon stehen leer und sind zu verkaufen. Vor allem aber ist nicht zu übersehen, dass dies eine kalte "Ecke" sein muss. Die Häuser schauen fast alpin aus, oft mit einer Kälteschleuse und viel Holz vor der Haustür, mit dicken Fensterläden und mit einer Wetterseite, die mit ornamentierten Blechplatten verkleidet ist.

"Plateau des mille étangs" nennt sich die Region um Mélisey, das Land der 1000 Seen. Die Zahl mag eine Übertreibung sein, doch bei einer Fahrt auf einem der kleinen Sträßchen, die als "Route des 1000 étangs" markiert sind, kommt dem Besucher dies schon realistisch vor. Da reiht sich ein kleiner Teich an den anderen, oft zieren weiße Seerosen die Oberfläche, meist stehen Birken rund um das Ufer.

Irgendwie mutet die Landschaft skandinavisch an. Das Wasser sieht nach Moor aus, die Farben Braun und Grün dominieren. Die Seen verdanken ihre Existenz den Gletschern der Eiszeit ebenso wie menschlicher Nachhilfe. Und die Menschen, die hier leben oder ein Wochenendhaus unterhalten, scheinen vor allem eines zu fürchten: unbefugte Besucher, die baden, angeln oder zelten wollen. Viele der Seen sind eingezäunt oder mit roten Verbotsschildern versehen, die Einfahrten mit Ketten bewehrt - spätestens da verfliegt der skandinavische Eindruck. Immerhin gehören einige der Seen zu Anwesen mit Ferienwohnungen oder -zimmern oder sind offen und rundum zugänglich.

Und es gibt den einladenden Teil der Vosges Saônoises, das Ognon-Tal und den westlichen Teil des Naturparks der "Ballons des Vosges". Miellin ist so ein kleiner Ort, in dem die Zeit und die Preise stehen geblieben sind: 1,22 Euro kostet der Aufenthalt auf dem kleinen Zeltplatz am Friedhof mit Auto und Zelt, 1,83 kommen pro Person dazu - je Nacht versteht sich. Anmeldung bei Nicole gegenüber der Kirche. Wer mit offenen Augen durch die Region wandert oder radelt, stößt immer wieder auf Gedenksteine für die Gefallenen im Herbst des Jahres 1944, als die 1. Französische Armee in Richtung Rhein und weiter, wie eine Tafel stolz vermeldet, "zur Donau" vorstieß. Auf dem Friedhof von Servance liegen einträchtig christliche, jüdische und muslimische Soldaten nebeneinander und erinnern an ein dunkles Kapitel deutsch-französischer Geschichte.

Doch wir sind nicht nur auf den Spuren der Geschichte unterwegs, sondern auch zum Wandern aufgelegt. Von Miellin bietet sich der Aufstieg auf den 1216 Meter hohen Ballon de Servance an. Der Weg führt zuerst durch einen fast verwunschenen Mischwald mit bemoosten Bäumen. Nur die Schilder, die einzelne Bäume zum Verkauf freigeben oder bereits den Verkauf quittieren, künden von menschlichen Aktivitäten - hier wird wohl schon das Brennholz für den nächsten Winter verkauft. Der völlig einsame, mehr oder weniger steile Weg in Richtung Gipfel verläuft in merkwürdigem Zickzack-Kurs. Kein Wunder, ist er doch in erster Linie für Reiter ausgewiesen. Wer's lieber bequem hat, kommt auch zum Ziel. Schließlich sind wir in Frankreich, und ein kleines Sträßchen führt auf einen Parkplatz unterhalb des Gipfels. Der ist indessen Spielwiese fürs Militär und für Zivilisten gesperrt. Der beste Aussichtspunkt ist jedoch über einen kleinen Umweg und an vielen Warnschildern vorbei frei zugänglich. Hier wird der Wanderer für seine Mühen mit einem schönen Ausblick auf die überlaufenen Ballons, den Grand Ballon und den Ballon d'Alsace, belohnt. Vor allem aber öffnet sich beim Blick nach unten das Moseltal weit, auch wenn das noch kleine Flüsschen von oben kaum auszumachen ist. Aber der Blick auf die junge Mosel und ihre Quelle bleibt uns noch nach dem Abstieg bei der Heimfahrt durchs Tal.

Rolf Müller

Die Vogesen der Haute-Saône: Infos unter [TEL] 0033384/632280 oder im Internet unter http://www.tourisme.fr Karten gibt es vom

Institut Géographique National Nr. 83019 oder zum Wandern Nr. 3520 ET Ballon

d'Alsace oder 3520 O Melisey

am Fr, 13. August 2004

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