Kunst

In der Kunsthalle Tübingen geht es in "Kapitalströmung" um Armut und Reichtum

In der Kunsthalle Tübingen geht es in "Kapitalströmung" um Armut und Reichtum.

Die Kunsthalle Tübingen war mal das Mekka der Moderne im Südwesten. In der Ära Götz Adriani, der vor allem zeitgenössische Kunst ausstellte, pilgerten zwischendurch Hunderttausende zu monographischen Schauen über Cézanne, Degas oder Picasso. Tempi passati. Holger Kube Ventura, der die Kunsthalle seit 2016 leitet, will ausschließlich Gegenwartskunst ausstellen. Die Pilot-Schau nach längerer Schließung infolge Sanierung und Erweiterung der Kunsthalle ist auch ein Fingerzeig auf die neue inhaltliche Ausrichtung: Gesellschaftskritische und politisch motivierte Kunst soll künftig stärker zum Zug kommen.

"Kapitalströmung" versammelt dreizehn Positionen künstlerischer Auseinandersetzung mit der globalen ökonomischen und sozialen Situation. Es geht um Geld- und Warenströme, Armut und Reichtum, Steuerparadiese und Migrationsbewegungen. Nahe dem Dogenpalast in Venedig liegt in Holger Wüsts über 70 Quadratmeter großer Fotomontage ein Kreuzfahrtschiff vor Anker. Galionsfigur ist eine riesige Marx-Büste, die Passagiere sind ärmliche Gestalten

Florian Haas’ kapitalismuskritische Bildtapete "Frankfurter Totentanz" quillt vor visuellen Nadelstichen gegen die Bankenmetropole über. Superflex haben Banken-Modelle zu Blumentöpfen für euphorisierende, süchtig machende Pflanzen umfunktioniert; Paolo Woods und Gabriele Galimberti hielten sich für "The Heavens" drei Jahre lang in Steuerparadiesen auf. Christin Lahrs konzeptuelles Danaergeschenk aber – einen Cent täglich für die Bundesbank – streut Sand ins Getriebe der Finanzwirtschaft und jubelt der Empfängerin im Feld "Verwendungszweck" den Volltext des "Kapitals" von Karl Marx unter.

Termine: Kunsthalle Tübingen, Philosophenweg 76. Bis 11. Juni, Di 11–19 Uhr, Mi bis So 11–18 Uhr
von Hans-Dieter Fronz
am Fr, 07. April 2017

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