Interview
Jessica Chastain: „Al Pacino war mein größter Lehrer“
Es war ihr nicht in die Wiege gelegt, aber Jessica Chastain (37) fühlte sich schon früh von der Schauspielerei angezogen. Die Tochter einer veganen Köchin und eines Feuerwehrmannes nahm den Mädchennamen ihrer Mutter an, studierte an der Juilliard School in New York und erlebte 2011 ihren Durchbruch in Hollywood. Seitdem sah man sie in "The Help", "Zero Dark Thirty", "Mama" und "Interstellar". In "A Most Violent Year" spielt sie die zwiespältige Ehefrau eines Unternehmers. Markus Tschiedert traf den neuen US-Star in London.
Ticket: Was ist das Anliegen Ihres neuen Films?
Jessica Chastain: J. C. Chandor ist inzwischen einer der wichtigsten US-Regisseure und hat sich schon in "Margin Call" und "All Is Lost" mit seinem Land auseinandergesetzt. "A Most Violent Year" sehe ich als Metapher für die USA. Denn es geht um einen Einwanderer, der den amerikanischen Traum leben will, aber zwischen Moral und Korruption steht. Unsere Geschichte spielt, bevor es an der Wall Street hieß, dass Gier etwas Gutes sei.
Ticket: Beruht der US-Kapitalismus geschichtlich gesehen nicht sowieso auf Gewalt und Kriminalität?
Chastain: Ich bin eher Optimistin und will daran glauben, dass man Erfolg haben kann, ohne den legalen Weg zu verlassen und sich selbst zu verleumden. Doch weil sich dieser Film mit dem Kapitalismus auseinandersetzt, aber auch unterhalten will, konnte unsere Geschichte nur so erzählt werden.
Ticket: Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich auf Ihre Rollen sehr intensiv vorbereiten und dazu alles lesen, was ihnen in die Finger kommt. Wie war es diesmal?
Chastain: Ich habe mich vor allem mit New York 1981 auseinandergesetzt: Warum gilt es als das gewalttätigste Jahr der Stadt? Die Rate an Vergewaltigungen, Morden und anderen kriminellen Delikten war besonders hoch. Ich war auch geschockt, als ich las, dass ein Auto vor dem New Yorker Rathaus in Feuer aufging, und nach drei Monaten stand der ausgebrannte Wagen immer noch dort. Das sagt viel, wie die Stadt von den Menschen damals schon aufgegeben wurde.
Ticket: Ihre Figur wirkt besonders furchteinflößend. Wie sehr lag Ihnen diese Rolle?
Chastain: Ich fand sie sehr interessant, denn der Film spielt 1981 in einer kompletten Männerwelt, und Anna muss nach außen hin die Rolle der braven Ehefrau spielen. In Wirklichkeit steht sie aber zu ihrem Mann wie Dick Chaney zu George W. Bush. Sie ist unehrlich und zieht heimlich im Hintergrund die Fäden – kalt wie eine Schlange.
Ticket: Bis 2011 arbeiten Sie ausschließlich fürs Fernsehen – und dann drehten Sie gleich sieben Filme hintereinander. Wie kam es dazu?
Chastain: Meinen allerersten Job bekam ich von Al Pacino, der mir in "Wilde Salomé" die Titelrolle anvertraute. Er war mein größter Schauspiellehrer, und obwohl "Wilde Salomé" in den USA bis heute noch nicht herausgekommen ist, öffnete mir der Film Türen. Davor bekam ich gar keine Vorsprechtermine für Filme – oder für Rollen, die mir nicht lagen, etwa die Freundin in einer TV-Serie, die nur hübsch aussehen musste. Aber jetzt änderte sich meine Karriere.
Ticket: War es von da an nur noch Glück, oder was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs im Filmbusiness?
Chastain: Für mich fühlt es sich nicht nach einem Geheimnis an: Ich wollte mit großen Regisseuren arbeiten, weil ich wusste, sie würden mich herausfordern und ich könnte dadurch eine bessere Schauspielerin werden.
Ticket: Seit Ihrem Durchbruch arbeiten Sie ununterbrochen. Verlieren Sie dabei nicht manchmal die Lust an der Schauspielerei?
Chastain: Das ist erst gerade passiert, als ich "A Most Violent Year" zeitgleich mit Guillermo del Toros "Crimson Peak" drehte. Ich musste also ständig zwischen New York, wo es sehr kalt war, und Toronto hin- und herfliegen. In "Crimson Peak" spiele ich die düsterste Rolle, die mir je untergekommen ist, was sehr anstrengend war. Nach vier Monaten Drehzeit sollte gleich der nächste Film folgen. Ich musste absagen, denn ich hatte das Gefühl, dass mir kurzzeitig die Leidenschaft abhanden gekommen ist. Also pausierte ich von Mai bis Dezember 2014, und nun bin ich wieder aufgeregt, ans nächste Filmset zu kommen. von tsc
Jessica Chastain: J. C. Chandor ist inzwischen einer der wichtigsten US-Regisseure und hat sich schon in "Margin Call" und "All Is Lost" mit seinem Land auseinandergesetzt. "A Most Violent Year" sehe ich als Metapher für die USA. Denn es geht um einen Einwanderer, der den amerikanischen Traum leben will, aber zwischen Moral und Korruption steht. Unsere Geschichte spielt, bevor es an der Wall Street hieß, dass Gier etwas Gutes sei.
Ticket: Beruht der US-Kapitalismus geschichtlich gesehen nicht sowieso auf Gewalt und Kriminalität?
Chastain: Ich bin eher Optimistin und will daran glauben, dass man Erfolg haben kann, ohne den legalen Weg zu verlassen und sich selbst zu verleumden. Doch weil sich dieser Film mit dem Kapitalismus auseinandersetzt, aber auch unterhalten will, konnte unsere Geschichte nur so erzählt werden.
Ticket: Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich auf Ihre Rollen sehr intensiv vorbereiten und dazu alles lesen, was ihnen in die Finger kommt. Wie war es diesmal?
Chastain: Ich habe mich vor allem mit New York 1981 auseinandergesetzt: Warum gilt es als das gewalttätigste Jahr der Stadt? Die Rate an Vergewaltigungen, Morden und anderen kriminellen Delikten war besonders hoch. Ich war auch geschockt, als ich las, dass ein Auto vor dem New Yorker Rathaus in Feuer aufging, und nach drei Monaten stand der ausgebrannte Wagen immer noch dort. Das sagt viel, wie die Stadt von den Menschen damals schon aufgegeben wurde.
Ticket: Ihre Figur wirkt besonders furchteinflößend. Wie sehr lag Ihnen diese Rolle?
Chastain: Ich fand sie sehr interessant, denn der Film spielt 1981 in einer kompletten Männerwelt, und Anna muss nach außen hin die Rolle der braven Ehefrau spielen. In Wirklichkeit steht sie aber zu ihrem Mann wie Dick Chaney zu George W. Bush. Sie ist unehrlich und zieht heimlich im Hintergrund die Fäden – kalt wie eine Schlange.
Ticket: Bis 2011 arbeiten Sie ausschließlich fürs Fernsehen – und dann drehten Sie gleich sieben Filme hintereinander. Wie kam es dazu?
Chastain: Meinen allerersten Job bekam ich von Al Pacino, der mir in "Wilde Salomé" die Titelrolle anvertraute. Er war mein größter Schauspiellehrer, und obwohl "Wilde Salomé" in den USA bis heute noch nicht herausgekommen ist, öffnete mir der Film Türen. Davor bekam ich gar keine Vorsprechtermine für Filme – oder für Rollen, die mir nicht lagen, etwa die Freundin in einer TV-Serie, die nur hübsch aussehen musste. Aber jetzt änderte sich meine Karriere.
Ticket: War es von da an nur noch Glück, oder was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs im Filmbusiness?
Chastain: Für mich fühlt es sich nicht nach einem Geheimnis an: Ich wollte mit großen Regisseuren arbeiten, weil ich wusste, sie würden mich herausfordern und ich könnte dadurch eine bessere Schauspielerin werden.
Ticket: Seit Ihrem Durchbruch arbeiten Sie ununterbrochen. Verlieren Sie dabei nicht manchmal die Lust an der Schauspielerei?
Chastain: Das ist erst gerade passiert, als ich "A Most Violent Year" zeitgleich mit Guillermo del Toros "Crimson Peak" drehte. Ich musste also ständig zwischen New York, wo es sehr kalt war, und Toronto hin- und herfliegen. In "Crimson Peak" spiele ich die düsterste Rolle, die mir je untergekommen ist, was sehr anstrengend war. Nach vier Monaten Drehzeit sollte gleich der nächste Film folgen. Ich musste absagen, denn ich hatte das Gefühl, dass mir kurzzeitig die Leidenschaft abhanden gekommen ist. Also pausierte ich von Mai bis Dezember 2014, und nun bin ich wieder aufgeregt, ans nächste Filmset zu kommen. von tsc
am
Mi, 18. März 2015
A MOST VIOLENT YEAR
Regie: J. C. Chandor
Mit Oscar Isaac, Jessica Chastain, Albert Brooks, David Oyelowo, Alessandro Nivola und anderen
125 Minuten, frei ab zwölf Jahren
Die Story
1981 ist als das gewalttätigste Jahr in die Kriminalgeschichte New Yorks eingegangen. In jener Zeit versucht der in die USA emigrierte Abel Morales (Oscar Isaac) eine Heizöl-Spedition aufzubauen – mit legalen Mitteln. Doch seine Laster werden überfallen und auch seine Frau Anna (Jessica Chastain), die Tochter eines stadtbekannten Gangsters, spielt mit falschen Karten. Wie moralisch kann Morales noch bleiben?
Autor: bz