Kastanien in der Wurst

Im nordelsässischen Oberbronn wird an diesem Wochenende die Herbstfrucht gefeiert.

G ibt es eine bessere Medizin gegen beißende Kälte als heiße Maroni? Wahrscheinlich nicht. Doch aus Kastanien lässt sich noch viel mehr zaubern. Im nordelsässischen Oberbronn verstehen sich die Leute besonders gut auf die Kastanien. Seit 18 Jahren findet das "Keschtefescht" (Fête de la Châtaigne) im 1500-Seelen-Ort statt. Hier gehören die Kastanien (im Dialekt "Keschte") zur Lebensart. Was nicht erstaunt, ist doch das Dorf umgeben von 20 Hektar Kastanienwald. Dieses Souvenir der Römer hat nachhaltig den Speisezettel mitgeschrieben. Mit Kastanienmehl wurde Brot gebacken, als Beilagen kennt man sie auch.

Aber die Oberbronner sind clevere Leute, die aus den Kastanien mehr als nur Brot backen können. Im Herbst wird gemetzt (geschlachtet), dann geht es den Sauen an den Kragen. Dann ist auch Kastanienzeit. Also kommen die Keschte ins Mett. Und diese Spezialität muss wohl ein Geschenk der Götter sein, denn wenn Kastanienfest ist, dann geht es nicht um die Wurst, nein, es geht um die Würste. Um Tausende. Exakt: 15 000 Kastanienwürste werden pro Jahr in den Oberbronner Metzgereien produziert, davon werden 4000 gleich serviert, mit Kartoffeln und Rotkraut. Die restlichen 11 000 werden von den Festbesuchern als Delikatessen heim nach Saarbrücken, Basel und Straßburg genommen.

Beim Kastanienfest werden 10 000 Gäste erwartet. Das Städtchen ist gut vorbereitet. Die Musik kommt von der elsässischen Kapelle "Rhinwagges" aus Weißenburg und in den Straßen brummt das Kunsthandwerk von damals. Geflochtene Körbe aus dem Krummen Elsass, Glaskunst aus dem Meisenthal, Keramik aus Betschdorf und vieles mehr.

"Es ist ein Fest, das nicht langweilig ist", geben sich die Verantwortlichen bescheiden. Vor allem wird es spannend, wenn die Spitzenköche und Metzger zum Keschtewurst-Concours antreten. Welche Wurst entzückt am meisten den Gaumen?

Aber nur essen muss auch nicht sein. Nach Kastanienmahlzeit mit Kastanienbier und Kastanienlikör bietet der Parc Naturel Régional des Vosges du Nord Erholung und Ruhe. So um die 1000 Pfade führen durchs Gehölz. Einer führt zur Wasenbourg; Goethe hat sie in seiner "Wahrheit und Dichtung" verewigt. Ein anderer hat die Arnsbourg zum Ziel. Sollte es in dieser Ruine (auch Teufelsschloss genannt) stark nach Wein riechen, dann soll das Jahr ein gutes Weinjahr werden. Von einem Kastanienorakel ist nichts bekannt.

Philipp Menzen

Kastanienfest / Fête de la Châtaigne, Oberbronn (Nordelsass), So, 17. Okt.,

ab 10 Uhr, Eintritt: 2 Euro, Info unter: [TEL] 0033/88808970.

am Fr, 15. Oktober 2004

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