Klänge einsammeln
Es war der Abend der Soundtüftler, Konzeptkünstler und Multiinstrumentalisten – der Samstag im Zirkuszelt. Vom 27-jährigen Kölner Marius Lauber, der unter den Namen Roosevelt die Pop-Welt unsicher macht, gibt es ein Video, in dem er quasi vervielfältigt alles selber spielt: das Schlagzeug, den Bass, die Gitarre, die Keyboards. Das geht auf einer Bühne nicht, da braucht es Mitstreiter. Denn entscheidend ist auf’m Platz. Mit Tonträgern und Dateien lässt sich heutzutage nicht mehr so einfach Geld verdienen. Im Quartett beschränkt sich Lauber darauf, ab und an eine Trommel zu schlagen, Knöpfchen am Keyboard zu drehen. Hauptsächlich spielt er Gitarre und singt mit einer sehr weichen, hellen Stimme.
Dieser New-Wave-Synthie-Disco-Pop – mal mit schmatzendem Bass, mal mit Schrammelgitarre, immer opulent arrangiert und mit lang gezogenen Gesangslinien, die mitsingbar sind, – ist eine schöne, schwelgerische Rekonstruktion von 80er-Jahre-Sounds, gewürzt mit ein Boy-Group-Harmonien und House-Beats. Die Coverversion von Fleetwood Macs "Everywhere" (1987) reiht sich nahtlos ein in diesen Reigen. Und das Publikum im Zirkuszelt schwebt und schwelgt mit.
Metronomy, der Hauptact, ist das Vehikel des mittlerweile 36-jährigen Joseph Mount, der schon mit 16 unter diesem Namen ein erstes Album herausbrachte mit Sound-Miniaturen zwischen Elektronik und Minimal-(Punk-)Rock. In großzügigen Abständen produzierte der Student der Fächer Music und Visual Arts in Brighton ausgeklügelte Musik, um mit "The English Riviera" 2011 den Durchbruch zu schaffen. Zur Single "The Look", einem wunderbar reduzierten Elektro-Pop-Stück, lieferte Mount ein Video, in dem die Frau am Schlagzeug und der Bassist aussehen, als wären sie eigens für dieses Stück entworfen und geschaffen. Anna Prior und Olugbenga Adelekan sind immer noch dabei, wie Mounts langjähriger Begleiter Oscar Cash, dazu das fünfte Mitglied Michael Lovett. "The Look" gab es als letztes Stück vor der Zugabe – originalgetreu nachgespielt, der eine hübsche eingängige Part verdoppelt. Der andere große Hit "Love Letters" vom gleichnamigen noch aktuellen Album mutierte dagegen von der perfekten minimalistischen 60s-Soul-Hymne zum quietschfidelen Stimmungskracher. Erstaunlich.
Überhaupt scheint die eher reduzierte Phase von Metronomy vorbei zu sein, die neuen Stücke – das Album soll im Herbst erscheinen – wirken zum Teil fast schon wie Rock oder klingen danach, wären sie nicht so zerhackt, borstig und hätten sie nicht diese seltsamen Momente der Irritation. Die Vorab-Single "Lately" schraubt sich waghalsig in die Höhe – erst mit Synthie-Tupfern, dann folgt die Band, dann wieder diese Tupfer, und es heißt warten, bis der Rumms kommt. In hellblauen und weißen Hosen repektive Oberteilen, nur der alte Wegstreiter ganz in Weiß, sah die Truppe aus wie eine futuristische Putzkolonne. Das passt: Klänge einsammeln, die Ecken ausfegen, Dinge vom Staub befreien, neue zusammensetzten, ein paar Verzierungen anbringen. So funktioniert eine Art Musik-Upcycling auf höchstem Niveau. Zum einen gibt es wunderbar auf den Punkt gebrachte Stücke wie "Reservoir" oder das über 10 Jahre alte Heartbreaker", zum anderen eine 20-minütige avandgardistische Techno-Rock-Einlage, die Mount einen"test move" nennt.
Im Ganzen wirkt der Abend ein wenig zerfahren und unentschlossen, da Band und Konzept noch in der Findungsphase sind. Nicht ohne Grinsen zeigt sich der Bandchef dankbar dafür, wie das Publikum mitgeht und euphorisch jubelt. Das große Zelt war höchstens zu einem Drittel gefüllt, aber die eingeschworenen Fans haben eine Band in einem Moment erlebt, der höchstwahrscheinlich nie wieder kommt. Zum Abschluss gab es ein ganz altes Stück, das Mount damals noch allein mit Gitarre und Computer zusammengebastelte. Mit Band wirkt es so, als hätte es nur darauf gewartet auf die Bühne zu kommen. von Joachim Schneider
Dieser New-Wave-Synthie-Disco-Pop – mal mit schmatzendem Bass, mal mit Schrammelgitarre, immer opulent arrangiert und mit lang gezogenen Gesangslinien, die mitsingbar sind, – ist eine schöne, schwelgerische Rekonstruktion von 80er-Jahre-Sounds, gewürzt mit ein Boy-Group-Harmonien und House-Beats. Die Coverversion von Fleetwood Macs "Everywhere" (1987) reiht sich nahtlos ein in diesen Reigen. Und das Publikum im Zirkuszelt schwebt und schwelgt mit.
Metronomy, der Hauptact, ist das Vehikel des mittlerweile 36-jährigen Joseph Mount, der schon mit 16 unter diesem Namen ein erstes Album herausbrachte mit Sound-Miniaturen zwischen Elektronik und Minimal-(Punk-)Rock. In großzügigen Abständen produzierte der Student der Fächer Music und Visual Arts in Brighton ausgeklügelte Musik, um mit "The English Riviera" 2011 den Durchbruch zu schaffen. Zur Single "The Look", einem wunderbar reduzierten Elektro-Pop-Stück, lieferte Mount ein Video, in dem die Frau am Schlagzeug und der Bassist aussehen, als wären sie eigens für dieses Stück entworfen und geschaffen. Anna Prior und Olugbenga Adelekan sind immer noch dabei, wie Mounts langjähriger Begleiter Oscar Cash, dazu das fünfte Mitglied Michael Lovett. "The Look" gab es als letztes Stück vor der Zugabe – originalgetreu nachgespielt, der eine hübsche eingängige Part verdoppelt. Der andere große Hit "Love Letters" vom gleichnamigen noch aktuellen Album mutierte dagegen von der perfekten minimalistischen 60s-Soul-Hymne zum quietschfidelen Stimmungskracher. Erstaunlich.
Überhaupt scheint die eher reduzierte Phase von Metronomy vorbei zu sein, die neuen Stücke – das Album soll im Herbst erscheinen – wirken zum Teil fast schon wie Rock oder klingen danach, wären sie nicht so zerhackt, borstig und hätten sie nicht diese seltsamen Momente der Irritation. Die Vorab-Single "Lately" schraubt sich waghalsig in die Höhe – erst mit Synthie-Tupfern, dann folgt die Band, dann wieder diese Tupfer, und es heißt warten, bis der Rumms kommt. In hellblauen und weißen Hosen repektive Oberteilen, nur der alte Wegstreiter ganz in Weiß, sah die Truppe aus wie eine futuristische Putzkolonne. Das passt: Klänge einsammeln, die Ecken ausfegen, Dinge vom Staub befreien, neue zusammensetzten, ein paar Verzierungen anbringen. So funktioniert eine Art Musik-Upcycling auf höchstem Niveau. Zum einen gibt es wunderbar auf den Punkt gebrachte Stücke wie "Reservoir" oder das über 10 Jahre alte Heartbreaker", zum anderen eine 20-minütige avandgardistische Techno-Rock-Einlage, die Mount einen"test move" nennt.
Im Ganzen wirkt der Abend ein wenig zerfahren und unentschlossen, da Band und Konzept noch in der Findungsphase sind. Nicht ohne Grinsen zeigt sich der Bandchef dankbar dafür, wie das Publikum mitgeht und euphorisch jubelt. Das große Zelt war höchstens zu einem Drittel gefüllt, aber die eingeschworenen Fans haben eine Band in einem Moment erlebt, der höchstwahrscheinlich nie wieder kommt. Zum Abschluss gab es ein ganz altes Stück, das Mount damals noch allein mit Gitarre und Computer zusammengebastelte. Mit Band wirkt es so, als hätte es nur darauf gewartet auf die Bühne zu kommen. von Joachim Schneider
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Mo, 22. Juli 2019