KRIMINALROMANE: Weiße gegen Schwarze

Attica Locke und Jack Heath.

Ernst und Quatsch in Ost-Texas: Rassismus und ein lächerlicher Profiler.

bluebird, bluebird

Was in Attica Lockes Kriminalroman "Bluebird, Bluebird" am meisten beeindruckt, ist die Präzision: Wahrnehmungen, Gefühle und menschliche Reaktionen schildert die mehrfach ausgezeichnete Autorin mit höchster Genauigkeit. Das verleiht dieser traurigen Kriminal- und Liebesgeschichte eine intime Authentizität. Ebenso auffällig lässt sie den Gerüchen eine besondere Rolle zukommen, als wollte sie sagen, trau deinen Augen nicht und nicht dem alten Denken. Das Thema: Rassismus.

"Bluebird, Bluebird" – nach einem Song der Blues-Legende John Lee Hooker – spielt in einer texanischen ländlichen Ecke unweit von Houston. 127 Seelen zählt das Nest namens Lark, Schwarze und Weiße leben dort, aber nicht zusammen. Die Rassentrennung macht sich etwa darin bemerkbar, dass das Café für Schwarze nichts von seiner Notwendigkeit verloren hat, in der Kneipe des Dorf-Oberen sind Afro-Amerikaner nicht gern gesehen. Umso größer ist der Alarm bei den Behörden, als ein fremder schwarzer Mann tot aus dem Fluss gezogen wird und ein paar Tage später eine einheimische blonde junge Frau. Doch selbst in dieser kleinen Gemeinschaft liegen die Dinge komplexer, als es den Anschein hat. Das bekommt auch Darren Mathew zu spüren. Der Texas-Ranger wurde vom Dienst suspendiert, nachdem er einem Freund zu Hilfe geeilt war, der von einem Mitglied der Arischen Bruderschaft bedroht wurde. Nun soll er sich rehabilitieren.

Zwischen offenen Gewaltausbrüchen der Herrenmenschen und den Alles-halb-so-wild-Beteuerungen des örtlichen Sheriffs versucht der Ranger, die Wahrheit herauszufinden und stößt dabei auf alte Geschichten, die ein anderes Licht auf die Gegenwart werfen. Locke inszeniert ihren Helden wie einen klassischen Cop mit Alkohol- und Eheproblemen, doch die Tatsache, dass er ein Schwarzer ist, der auf eine Karriere als Anwalt verzichtet, um für Gerechtigkeit zu sorgen, macht aus dieser konventionellen Anordnung eine besondere. Dass das nicht sein sollte, thematisiert dieser Roman sehr intensiv und spannend.

Blake

Auch der Australier Jack Heath hat sich etwas Besonderes für seine Hauptfigur ausgedacht. Kurioserweise hat er seinen Thriller ebenso in Texas angesiedelt, wohl deshalb, weil dort noch die Todesstrafe vollstreckt wird. Timothy Blake, ein begabter Profiler und Gedächtniskünstler, hat einen unstillbaren Hunger nach Menschenfleisch. Mit einem FBI-Chef hat er ein Abkommen geschlossen: Bei der Lösung eines Falls gibt es neue Nahrung. Daraus, dass Blake sich trotz seines Appetits sozial verhalten will, ergeben sich haarsträubende Situationen. Doch für eine knallige Satire reicht das nicht, zumal den armen Kannibalen Gewissensbisse plagen, wenn ihm bei der Ermittlung in einer abstrus konstruierten Kindesentführung der Magen knurrt oder wenn er die charmante, afro-amerikanische Agentin an seiner Seite am liebsten aufessen will. Abgesehen davon wirkt dieser Thriller in Anbetracht der Fleischmisere alles andere als zeitgemäß.

Attica Locke: Bluebird, Bluebird. Roman. Deutsch von Susanna Mende. Polar Verlag, Stuttgart 2019. 320 Seiten, 20 Euro.
Jack Heath: Blake. Roman. Deutsch von Angelika Naujokat. Wilhelm Heyne Verlag, München 2019. 448 Seiten, 12,99 Euro.
von Joachim Schneider
am Sa, 16. Februar 2019

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