Theater

Lukas Matthaei über das Projekt "Superkörper" am Theater Freiburg

TICKET-INTERVIEW: Lukas Matthaei über das Projekt "Superkörper" in Freiburg.

Vom 15. bis zum 23. April ruft das Theater Freiburg unter dem Titel "Superkörper" zur "stadtweiten Verhandlung über Lebenserwartungen" auf. Jürgen Reuß hat bei Regisseur Lukas Matthaei nachgefragt.

Ticket: Was stellt man sich unter "stadtweiter Verhandlung" vor?
Matthaei: Ich sehe meine Aufgabe als Regisseur darin, für eine Stadt oder Region ein Thema zu entwickeln und Menschen zu suchen, die das in sich tragen. Durch individuelle Porträts und die konkrete Aushandlung von Themen mit offenem Ausgang kann ich für mich sehr viel mehr erkennen, als wenn ich einen Text dazu hätte. Ich arbeite also selten mit Schauspielern...
Ticket: ... aber auf die Bühne möchten Sie am Ende schon, oder?
Matthaei: Ich stelle mir den Prozess wie einen Eisberg vor: Ein Berg von Recherche und Kommunikation mit allen Beteiligten erzeugt diesen einen Gipfel, der dann oben drauf als Bühnenereignis sichtbar wird. Bereits anderthalb Jahre vor dem präsentierten Gipfel beginnen das Team und ich mit den Recherchen. Für mich sind das Forschungsreisen, auch im wissenschaftlichen Sinne, hier konkret mit dem Ziel Life Sciences...
Ticket: ... der Forschung im Umfeld der Entschlüsselung von Lebensprozessen.
Matthaei: Wir waren beeindruckt, wie viel weltweit relevante Kompetenz in dieser Region zu finden ist, die ja sonst meist als grüne Hauptstadt mit einer großen Geschichte sozialer Bewegungen wahrgenommen wird.
Ticket: Sind Life Sciences ein schwieriges Thema?
Matthaei: Da gibt es natürlich eine gewisse Distanz zu überbrücken, aber wir möchten das nicht pädagogisch als Erklärbär für Erwachsene machen.
Ticket: Sondern?
Matthaei: Es soll eine Vielzahl realer Verhandlungen geben zwischen den Forschern und den Menschen, die diese Stadt ausmachen. Eine Verhandlung darüber, an welcher gemeinsamen Zukunft wir arbeiten wollen. Mein Job als Theatermacher ist es ja weniger, Fakten-Wissen zu vermitteln, als Gesellschaft zu ermöglichen.
Ticket: Wie sieht das konkret aus?
Matthaei: Für mich produzieren alle Forschungen in den Laboren auch Bilder vom Leben. Was betrachtet man mit welchen Apparaten, was gilt als mangelhaft, welchen Werten sieht man sich verpflichtet, was hofft man zu heilen et cetera. Wir übertragen diese Bilder auf ganz Freiburg als Petrischale und haben eine Vielzahl unterschiedlichster Gruppen der Stadt eingeladen, mit uns gemeinsam eigene Forschungen zu entwerfen. Ihre eigenen Fragen ans Leben in dieser Stadt zum Ausgang zu nehmen. Was hat man noch nie ausprobiert, wollte es aber schon immer mal testen? Auf welche anderen Lebenskonzepte kann man sich einlassen, auch wenn sie den eigenen komplett entgegenstehen? Welche Werte kann ich verhandeln, welche sind unverrückbar?
Ticket: Welche Gruppen sind das?
Matthaei: Viele verschiedene! Ein genaueres Bild kann man sich auf unserer Website verschaffen. Da passiert schon jetzt eine ganze Menge, an dem sich jede auch jederzeit aktiv oder passiv beteiligen und sogar in das, was sie interessiert, investieren kann.
Ticket: Und was wird bei den Verhandlungen passieren?
Matthaei: Mit der Auftaktveranstaltung am Freitag rufen wir die Forschungsgesellschaft des Superkörpers aus, angelehnt an den Begriff der "Citizen Science", Bürgerforschung. Experten für das, was Leben bedeutet, sind nicht nur hochspezialisierte Life-Science-Wissenschaftler. Jeder Mensch hat seine eigene Expertise zu dem, was ein Leben in der Gesellschaft lebenswert macht. Die sollte er oder sie einbringen und mit all den anderen Experten jeglicher Couleur verhandeln. Gemeinsam.

Termine: Auftakt Freitag, 15. April, 20 Uhr, und Finale Samstag, 23. April, 19 Uhr, im Kleinen Haus, Theater Freiburg.
Info: http://www.superkoerper.org
von jre
am Fr, 15. April 2016

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