Mit Experimentierlust

Doppelausstellung in der Galerie im Alten Rathaus in Denzlingen mit dem Titel "Verfremdung".

DENZLINGEN. Unterschiedlicher könnten die Arbeiten kaum sein, die Silke Gerfen und Ulli Obrecht von heute an in der Galerie im Alten Rathaus in Denzlingen präsentieren. Weiche Konturen, fließende Übergänge und Unschärfen kennzeichnen die Fotografien der Freiburgerin Obrecht, klare Linien, Kanten, geometrische Formen die Gemälde von Gerfen, die aus dem Glottertal stammt. Übereinstimmung finden die Arbeiten mit ihrer Sicht auf die Realität – unter dem Titel "Verfremdung".

Kennengelernt haben sich die zwei Künstlerinnen 2014 auf der Kunstmesse in Endingen. Damals schon sei die Idee geboren worden, gemeinsam auszustellen, erklärt die 50-jährige Silke Gerfen. Mit ihrer Ausstellung in Denzlingen nehmen sie die Herausforderung nun schon zum zweiten Mal an, mit mehreren Kolleginnen haben sie aber auch schon andere Gemeinschaftsausstellungen bestritten.

Motivisch finden sie jetzt im Mittelraum der Galerie zusammen, beide zeigen dort Arbeiten, denen Blumen zugrunde liegen. Diesem Naturmotiv bleibt die aus Freiburg stammende Obrecht, die bis 2011 im Schuldienst war, treu, wenn sie ihrer "Experimentierlust" mit der Kamera nachgeht. Nur einfach ablichten kommt für sie dabei nicht in Frage, mittels Gläsern, Spiegeln, Pausfolien setzt sie die Blüten in Szene, arbeitet intensiv mit der Wirkung von Licht und Schatten, der Wirkung von minimalen Schärfenebenen.

Derart wird die Realität, das was das Auge sieht, durch das Objektiv in eine neue Welt transformiert und so das Reale verfremdet. "Normal kann jeder", so Obrecht, die in Denzlingen keine Unbekannte ist, weil sie hier vier Jahre im Schuldienst war. Für sie entscheidend: "Ich mache 50, manchmal auch über 100 Aufnahmen eines Motivs, um das eine Foto zu bekommen." Ausprobiert wird beim Fotografieren, tabu ist für sie die Bearbeitung, also die Verfremdung am Computer.

Das Fremdsein als Thema für die Kunst

"Es ist noch längst nicht ausgeschöpft, was in mir ist", sagt die mittlerweile in Au wohnhafte Künstlerin über ihre Experimentierfreude. Seit 2007 hat sie sich dabei auf ganz unterschiedlichen Feldern der Kreativität probiert, hat gemalt, gedruckt und Metallarbeiten per Schweißbrenner gefertigt. Dabei hat sie sich viel autodidaktisch erarbeitet. Die Fotografien, die sie nun zeigt, sind überwiegend auf Alu-Dibond gedruckt, manche aber auch traditionell hinter Glas gerahmt.

Realistisch und unverfälscht in Form und Farbe sind bei Gerfen nur die Blumen auf dem Kandel im ersten Bild. Doch auch diesem naturalistischen Motiv gibt sie einen grafischen Rahmen. Klare Linien und geometrische Formen bestimmen fortan die Werke der gelernten Textilveredlerin, die sich seit 2012 nur noch der Kunst widmet und ein eigenes Atelier hat. Von ihrem Beruf bringt sie dabei das Wissen um den Umgang mit Farben mit. "Ich mische alle meine Farben selbst."

Die sind in ihren kubistischen Arbeiten kraftvoll, kaum einmal dezent, und verstärken somit den schon durch Form und Linien klaren Charakter. Verfremdet wird durch ihren Stil das Motiv, spannend ist ihr Spiel mit der Form der Rahmen, deren klare Linien mal Ausbuchtungen oder Einschnitte haben, durch ein Bild zieht sich gar ein Spalt. Verfremdung meint Gerfen aber durchaus auch thematisch. Deutlich in der Reihe der präsentierten Bilder wird die Entwicklung vom Kandel, übers Glottertal bis nach Freiburg. "Wo bin ich zuhause, wo bin ich fremd?" – unter dieser Fragestellung entwickelt sich da ein Themenfeld ganz anderer Art und bleibt nicht an Örtlichkeiten haften. "Fremd bin ich nicht mehr, wo ich bei anderen Menschen ein Zuhause finde", sagt sie. Die Botschaft zeigen ihre Bilder.

Die Ausstellung in der Galerie im Alten Rathaus in Denzlingen ist zu sehen bis 24. Februar, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr. Die Vernissage findet heute, Freitag, 31. Januar, um 19 Uhr statt (mit Einführung durch Kunsthistorikerin Caroline Yi und Musik mit keltischer Harfe und Gesang).
von Markus Zimmermann
am Fr, 31. Januar 2020

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