Einblicke in skurrile Kopfwelten im Gare du Nord in Basel

Musiktheater "Das Allmachtsrohr" ist eine Hommage an den Künstler Adolf Wölfli

"Das Allmachtsrohr" vom 21. bis 23. Januar im Gare du Nord in Basel ist eine Hommage an Adolf Wölfli.

Zum 150. Geburtstag von Adolf Wölfli veranstaltet der Gare du Nord im Badischen Bahnhof Basel eine Hommage an den Künstler. An drei Abenden wird das Musiktheater "Das Allmachtsrohr" von Helena Winkelmann und Meret Matter auf Basis der fiktionalen Autobiographie "Von der Wiege bis zum Graab" (Anmerkung der Redaktion: kein Schreibfehler) des kontroversen Künstlers mit dem Hammond Avantcore Trio Steamboat Switzerland gezeigt: Mittwoch, 21. bis Freitag, 23. Januar, je 20 Uhr.

Adolf Wölfli (geboren 1864) schuf einst sein Werk aus Zeichnungen, Collagen, Texten und Kompositionen während eines 35 Jahre andauernden Aufenthalts in der Nervenheilanstalt Waldau. Sein komplexes Krankheitsbild und seine in rasend obsessivem Imaginationsfluss entstandenen "Kopfwelten" werden in dieser Musiktheaterproduktion von verschiedenen sich widersprechenden Wölflis beherrscht, wobei seine wuchtigen Texte seinem bildnerischen Werk in Skurrilität und akribischer Verworrenheit in nichts nachstehen. Musikalisch stoßen dabei das Avantcore-Trio Steamboat Switzerland, Violinistin Helena Winkelmann und Klarinettistin Karin Dornbusch – beide sonst hauptsächlich in der klassischen Kammermusik agierend – sowie der in der Performance/Noise/Experimental-Szene beheimatete Joke Lanz (Sudden Infant) als Wölfli-Hauptdarsteller aufeinander. Wölflis Aufzählungen von Städtenamen und fiktiven Zahlen werden zu Raketenabschussrampen von Tonkaskaden, an deren Ziel sich das ganze Ensemble im Overdrive in den Meeresgrund bohrt.

2014 jährte sich Adolf Wölflis Geburtstag zum 150. Mal. Heute gehört der gebürtige Emmentaler zu den vielbeachteten Künstlern des 20. Jahrhunderts, und sein Werk wird weltweit ausgestellt und rezipiert. Diese erstaunliche internationale Karriere eines Waisen, Verdingkindes, Zuchthausinsassen und Patienten einer psychiatrischen Heilanstalt ist nicht selbstverständlich. Sie ist das Resultat eines in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Werkes.

Wölfli war Schriftsteller, Komponist und Zeichner im Dienste einer Mission: das Leben neu zu erfinden. Auf mehr als 25 000 Seiten erschuf er sich eine spektakuläre Kindheit und eine glorreiche Zukunft. Dabei ging es nicht zuletzt darum, seine belastete Gegenwart zu umgehen. 1895 in die psychiatrische Heilanstalt Waldau bei Bern eingeliefert, begann Wölfli 1899 zu zeichnen und zu schreiben. Bereits sein Frühwerk, die Bleistiftzeichnungen 1904–1906, sind von herausragender Gestaltung.

1908 beginnt Wölfli mit der Niederschrift seiner Lebensgeschichte, die sich nach wenigen Seiten zur Weltreise und dann zur Weltschöpfung erweitert. 1928, zwei Jahre vor seinem Tod, beginnt er mit dem "Trauer-Marsch". Darin nimmt er die zentralen Motive seiner Welt noch einmal in konzentrierter Form auf und verwebt sie zu einem fortlaufenden Laut- und Bildteppich. In "Das Allmachtsrohr" wird Wölfli in seiner vielschichtigen Persönlichkeit wieder zum Leben erweckt. Zur Erstellung des Textbuches wurde bis auf wenige Ausnahmen Wölflis Werk "Von der Wiege bis zum Graab" verwendet. Seine wuchtigen Texte ergänzen sein bildnerisches Werk. In ihnen bearbeitete er auch seine unterdrückten Triebe.

Die Personifizierung Wölflis ist ein wichtiger Ansatz der Inszenierung. Sein komplexes Krankheitsbild wird auf der Bühne durch verschiedene Sprecher erlebbar, die inneren Stimmen hörbar. Es tauchen Personen aus seinem Leben auf, wie der Psychiater Walter Morgenthaler oder Pfleger der Waldauklinik, aber auch Figuren aus der Vergangenheit, wie die früh verstorbene Mutter, eine unglückliche Jugendliebe, oder er als Kind Doufi.

von bz
am Mo, 19. Januar 2015

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