Da hört man, was man fährt

NSU-Museum in Neckarsulm

Viel Geschichte in Deutschlands größter Zweiradsammlung im Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm.

"Nie mehr laufen – Quickly kaufen", lautete der Werbeslogan der Nachkriegsjahre für die Mopeds aus Neckarsulm. So war denn die erste Erfahrung als kindlicher Beifahrer bei den Touren durch den Schwarzwald der bequeme, gut gefederte Sattel einer NSU Fox. Das erste eigene Motorfahrzeug war besagte NSU-Quickly, hellgrün und mit biederem, damenfahrradähnlichem Design. Das nächste war eine Quickly Cavallino mit sportlichen italienischen Kurven in Rot-Weiß. Mit Hilfe eines Fallstromvergasers und mit stark "modifiziertem" Auspuff fuhr der flotte Zweitakter lock
er Tempo 80 statt der erlaubten 40 Kilometer in der Stunde und gemäß dem offiziellen Firmenmotto: "NSU – da hört man, was man fährt." Nicht mehr ganz so laut, aber immer noch gut hörbar galt auch das für das erste Familienauto, einen NSU-Prinz.

Die Nachkriegsgeschichte der Mobilität ist untrennbar mit dem Namen Neckarsulm verbunden, wo die zeitweise größte Zweiradfabrik der Welt werkelte und heute Audi die Vierrad-Tradition von Prinz und RO 80 fortsetzt. Was alles in rund 350 Exponaten im "Deutschen Zweirad- und NSU-Museum" zu bestaunen ist.

Dabei würde man nicht unbedingt Technikgeschichte hinter der denkmalgeschützten historischen Fassade mitten in Neckarsulm vermuten. Immerhin war das Schloss bis 1806 der Sitz des Deutschordens. Im Inneren wird indessen schnell klar, dass es im ansprechend modernisierten Gemäuer seit 60 Jahren um Technik der mehr oder weniger schnellen Fortbewegung geht, auf fünfeinhalb Etagen von den 1880er-Jahren bis heute, vom Fahrrad bis zum Rennmotorrad.

Draisine und Hochrad markieren den Beginn der Fortbewegung auf zwei Rädern, der lange Weg zu Motorisierung ist durch zahlreiche originelle Originale dokumentiert. Wobei auch der sachkundige Laie über manches staunen wird: Etwa über das allererste Serienmotorrad von Hildebrandt & Wolfmüller aus dem Jahr 1894, das zwei liegende wassergekühlte (!) Zylinder hatte, deren Pleuelstangen direkt das Hinterrad antrieben, das wiederum als Schwungscheibe wirkte. Oder der Fünf-Zylinder-Sternmotor im Vorderrad eines Megola-Motorrads von 1924 oder das NSU-Opel-Kettenmotor- rad aus dem Zwei- ten Weltkrieg, das

man sich durchaus auch heute noch als Alternative zum Quad auf freier Wildbahn vorstellen könnte. Und es wird einiges an Technik gut aufbereitet und erklärt. Etwa in der NSU-Etage der Wankelmotor, der zuerst mit 500 Kubikzentimeter Hubraum den NSU Spider angetrieben hat. Oder die vielen Versuche von 1914 bis in die Nachkriegszeit, das Fahrrad mit einem Hilfsmotor auszustatten, was erst mit dem E-Bike technisch und kommerziell ein Erfolg wurde und ausgestattet mit einem 1300-Watt-Motor in der Radabteilung steht.

Da gibt es weiter die Exoten und Einzelstücke, wie den "Baummschen Liegestuhl", mit dem H.P. Müller 1956 nicht weniger als 36 Weltrekorde aufgestellt hat. Oder Kreidlers Renn-Zigarre von 1965, mit 210 km/h aus 50 Kubik ebenfalls eine Weltrekordlerin sowie das Motorrad aus der Zweiradschmiede von Friedel Münch, Baujahr 1974, mit einem 1200-Kubik-Automotor von NSU im wuchtigen Rahmen.

Ein besonderes Prachtstück ist der Easy-Rider-Chopper, wie ihn Peter Fonda im gleichnamigen Film gefahren hat: ein Nachbau zwar – das Filmoriginal ist verschwunden – aber ein Exemplar, das Fonda immerhin einmal Probe gefahren hat. Den Niedergang der europäischen Zweiradindustrie verschweigt das Museum ebenso wenig wie die Wiederauferstehung europäischer Motorradtechnik in Gestalt fast dreister Kopien aus Japan – besonders schön zu sehen in der Gegenüberstellung einer italienischen Benelli mit einem Sechs-Zylinder-Reihen-Motor von 1974 und den zum Verwechseln ähnlichen Honda- und Kawasaki-Maschinen fünf Jahre später. Wobei die als Reiskocher verspotteten Japaner letztlich die Gegenwart des Motorrads als modernes Freizeitvehikel begründet haben.
von Rolf Müller
am Fr, 16. Dezember 2016

Info

Deutsches Zweirad- und NSU-Museum

Wo: Urbanstraße 11, Neckarsulm,
Geöffnet:
Di bis So, an Feiertagen auch
montags, 10 bis 17 Uhr
Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 3 Euro,
Familien 13 Euro, immer inklusive Audioguide
Kontakt: http://www.zweirad.museum.de
Tel. 07132/35271  

Autor: rm

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