Lesung

NSU-Prozess-Protokolle am Theater Freiburg

Am Theater Freiburg beginnt der zweite Zyklus mit Protokollen aus dem NSU-Prozess.

Kein Prozess seit dem Verfahren gegen die RAF hat so viel politische Brisanz wie die Verhandlung vor dem Münchner Landgericht um die Morde des NSU. Das Theater Freiburg gibt während der laufenden Spielzeit mit szenischen Lesungen Einblick in die Prozess-Protokolle.


Der Prozess um die Aufklärung der Morde an neun ausländischen Mitbürgern durch den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund dauert bereits zweieinhalb Jahre. Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht – zumal die Hauptangeklagte Beate Zschäpe schweigt. Das Mammutverfahren wirft heikle Fragen über die Verfasstheit des Rechtsstaats und seiner Strafverfolgungsbehörden auf, die vermutlich nie endgültig geklärt werden können.

Umso wichtiger, dass das Verfahren auch von außen beleuchtet wird. Am Freiburger Theater finden szenische Lesungen aus den Prozessprotokollen statt, begleitet von Gesprächen mit Experten und Prozessbeteiligten. Die in vier Zyklen aufgeteilte sehr besondere Berichterstattung geht am 27. November in die zweite Runde: In Zusammenarbeit mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung, das die Protokolle zur Verfügung stellt, wird das zweite Prozessjahr auf der Kammerbühne durch Lena Drieschner, Marie Jordan, Heiner Bomhard und Holger Kunkel vergegenwärtigt.

Dazu braucht es nicht mehr als vier Tische, vier Aktenordner, vier Schälchen mit Gummibärchen und einen Zeugenstuhl. Die Schauspieler wechseln permanent die Rollen, um jede Identifikation zu vermeiden. Natürlich kann nur ein Bruchteil des komplexen Verfahrens nachvollzogen werden. Allein wenn die Namen der 88 Nebenklagevertreter verlesen werden, bekommt man einen Eindruck von der juristischen Aufgabe. Das Gericht darf sich keinen Verfahrensfehler erlauben, wenn es nicht riskieren will, dass der Prozess platzt.

Das ist ihm bis jetzt gelungen. Klar ist: Beim Prozess dürfen sich nicht die Schlampigkeiten und Ungereimtheiten bei den Ermittlungen wiederholen, die dazu führten, dass jahrelang keine Spur zu den rechtsradikalen Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos führte. Besonders schmerzhaft kommt dem Zuschauer zu Bewusstsein, wie sehr stattdessen die Opfer kriminalisiert wurden. Ein Fall von Rassismus, den man sich gerade jetzt nicht dringlich genug vor Augen führen kann. Experten im zweiten Zyklus sind Yavuz Narin, Anwalt der Nebenklage (27. 11.), Thomas Moser, Journalist und NSU-Experte 3. 12.) und Kurt-Michael Menzel, Berichterstatter aus dem Stuttgarter Untersuchungsausschuss (16. 12.)

Termine: Freiburg, Kammerbühne, 27. Nov., 20 Uhr, sowie 3. und 16. Dez., 20 Uhr
von Bettina Schulte
am Fr, 20. November 2015

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