Nur 60 Stunden Mummenschanz
W ir bringen euch die frohe Kunde, frei ist der Narr zu dieser Stunde, drum nützet jetzt die kurze Zeit, damit es keinen von euch reut. Ein fröhlich', kräftig': Trallaho! Denn jetz' isch wirklich d'Fasnet do!" Wenn der Elzacher Narrenzunftmeister am Fasnachtssonntag um 12 Uhr von seiner geschmückten Pferdekutsche herab mit diesen Versen die Fasnet ausruft, dann lösen sich Vorfreude und Spannung der Wochen zuvor in eine kaum beschreibliche Euphorie auf: Mit Gebrumm und Soublodere schlagend folgen hunderte von Schuttig in schnellem, wildem Lauf den beiden Zunftkutschen durchs Städtle, um ihre neu gewonnene Narrenfreiheit auszuleben. Und diese währt wahrhaftig kurz - außer für die Kinder, die schon zwei Wochen lang zuvor als Schuttig laufen dürfen. Für die Erwachsenen hingegen dauert der sehnsüchtig erwartete Mummenschanz maximal 60 Stunden: vom Ausrufen am Fasnachtssonntag bis zur Demaskierung am Fasnachtsdienstag um Mitternacht.
Dazwischen aber gibt's keine Ruhe mehr in der alten Narrenhochburg. "2500 Menschen toben in Elzach bei Tag und Nacht", so schrieb der Stern im vergangenen Jahr und hat sogar untertrieben: Die Schuttig haben seit eh und je die Fasnetfreunde in ihren Bann gezogen. Sind's beim Ausrufen vielleicht erst ein paar hundert Zuschauer, kommen zu den großen Umzügen am Fasnachtssonntag und -dienstag nicht selten 10 000 oder mehr. Auch Fremde werden schnell vom zündenden Fasnetmarsch erfasst, den die vier Musikkapellen während der Umzüge unentwegt spielen und damit die Schuttigschar zum "Tanzen" bringen.
Vorneweg der Liebling der Kinder und Fotografen: der Teufelsschuttig, der einzige schwarz Gewandete im roten Narrenheer. Seit 1911 ist er der Anführer der Umzüge. Im selben Jahr wurde der Fackelumzug Bestandteil des Fasnetprogramms. Er schafft im verdunkelten Städtchen eine ganz besondere Atmosphäre und verlangt dem Teufelsschuttig alles ab: Er muss nämlich zum Abschluss so lange und oft bis an den Rand der Erschöpfung um den Flammenstoß am Bärenplatz tanzen, bis auch der letzte der vielen hundert Schuttig seine Fackel in die große Blechwanne geworfen hat. Trotzdem ist der "Teufel" der begehrteste Job an der Fasnet für jeden sportlichen Elzacher Narr.
Nach einer langen, lauten Nacht geht's am Fasnachtsmontag für die Schuttig schon um fünf Uhr morgens weiter, wenn das Taganrufen beginnt und sich vom Ladhof aus drei Stunden langsam durchs still gewordene Städtle bewegt. An bestimmten Haltepunkten singt der Nachtwächter sein uraltes Lied und als Narrengericht verlesen die jungen Taganrufer in deftigen Versen den Mitbürgern deren kleine Sünden oder Missgeschicke das Jahr über. Das Taganrufen ist der älteste erhaltene Brauch in der Elzacher Fasnet und schon vor Mitte des 18. Jahrhunderts aktenkundig. Hingegen sind das Fasnetbegraben oder der "Umgang" der Schuttig um die Äcker in den "Raunächten" schon vor mehr als 100 Jahren ausgestorben.
Nach genauso langem Dornröschenschlaf wiederbelebt wurde 1936 das Bengelreiten, welches nur alle sieben Jahre stattfindet - 2006 ist es wieder so weit. Hierbei liefern sich sieben unverheiratete und sieben verheiratete Frauen - jeweils mit Holzschwertern bewaffnet - einen lustigen Kampf mit harten Bandagen um den jüngst verheirateten Elzacher Ehemann. Dieser versucht inmitten des Getümmels auf seinem schwankenden Sitz aus zwei Holzbengeln sein Gleichgewicht zu halten. Gelingt ihm dies nicht, dann wartet auf ihn nach Abschluss der Kampfhandlungen ein Vollbad im Nikolausbrunnen.
Moritatensänger, Latscharifangen und viele spontane Späße sind weitere Facetten der Elzacher Fasnet und halten das alte Brauchtum lebendig. Der Schuttig leitet seinen Namen vom "Schurtag" ab. So hieß im gesamten alemannischen Sprachraum einst der Aschermittwoch, als dieser noch der letzte und wichtigste Fasnettag war. Und der "Kollege" des Schuttig, der "Rägemolli" geht auf den Feuersalamander zurück. "Rägemolli" ("Regenmolch") heißt dieser im Oberelztäler Dialekt. Er erinnert mit seinen schwarzen Tupfen auf dem beigefarbenen Leinengewand an dieses possierliche Tierchen. Der "Rägemolli" war vor den 1960er-Jahren jahrzehntelang aus dem Elzacher Narrentreiben verschwunden. Er ist weder eine Neuerfindung noch der "Urschuttig", sondern lediglich ein Schuttig in anderem Gewand - so wie die schwarzen Panther und die Leoparden zur selben Gattung gehören. Für beide Fasnetfiguren gilt uneingeschränkt Elzachs oberstes Narrengesetz: Ein Schuttig zeigt sich niemals unmaskiert in der Öffentlichkeit. Und gerade das macht ihn wohl für Fasnetfreunde so faszinierend.
Bernd Fackler
Fasnethöhepunkte in Elzach: Sonntag, 6. Feb., 12 Uhr, Ausrufen der Fasnet,
15 Uhr, Schuttigumzug, 20 Uhr, Fackelumzug; Montag, 7. Feb., 5 Uhr, Taganrufen; Dienstag, 8. Feb., 15 Uhr, Schuttigumzug; Infos im Internet unter http://www.elzach.de
Dazwischen aber gibt's keine Ruhe mehr in der alten Narrenhochburg. "2500 Menschen toben in Elzach bei Tag und Nacht", so schrieb der Stern im vergangenen Jahr und hat sogar untertrieben: Die Schuttig haben seit eh und je die Fasnetfreunde in ihren Bann gezogen. Sind's beim Ausrufen vielleicht erst ein paar hundert Zuschauer, kommen zu den großen Umzügen am Fasnachtssonntag und -dienstag nicht selten 10 000 oder mehr. Auch Fremde werden schnell vom zündenden Fasnetmarsch erfasst, den die vier Musikkapellen während der Umzüge unentwegt spielen und damit die Schuttigschar zum "Tanzen" bringen.
Vorneweg der Liebling der Kinder und Fotografen: der Teufelsschuttig, der einzige schwarz Gewandete im roten Narrenheer. Seit 1911 ist er der Anführer der Umzüge. Im selben Jahr wurde der Fackelumzug Bestandteil des Fasnetprogramms. Er schafft im verdunkelten Städtchen eine ganz besondere Atmosphäre und verlangt dem Teufelsschuttig alles ab: Er muss nämlich zum Abschluss so lange und oft bis an den Rand der Erschöpfung um den Flammenstoß am Bärenplatz tanzen, bis auch der letzte der vielen hundert Schuttig seine Fackel in die große Blechwanne geworfen hat. Trotzdem ist der "Teufel" der begehrteste Job an der Fasnet für jeden sportlichen Elzacher Narr.
Nach einer langen, lauten Nacht geht's am Fasnachtsmontag für die Schuttig schon um fünf Uhr morgens weiter, wenn das Taganrufen beginnt und sich vom Ladhof aus drei Stunden langsam durchs still gewordene Städtle bewegt. An bestimmten Haltepunkten singt der Nachtwächter sein uraltes Lied und als Narrengericht verlesen die jungen Taganrufer in deftigen Versen den Mitbürgern deren kleine Sünden oder Missgeschicke das Jahr über. Das Taganrufen ist der älteste erhaltene Brauch in der Elzacher Fasnet und schon vor Mitte des 18. Jahrhunderts aktenkundig. Hingegen sind das Fasnetbegraben oder der "Umgang" der Schuttig um die Äcker in den "Raunächten" schon vor mehr als 100 Jahren ausgestorben.
Nach genauso langem Dornröschenschlaf wiederbelebt wurde 1936 das Bengelreiten, welches nur alle sieben Jahre stattfindet - 2006 ist es wieder so weit. Hierbei liefern sich sieben unverheiratete und sieben verheiratete Frauen - jeweils mit Holzschwertern bewaffnet - einen lustigen Kampf mit harten Bandagen um den jüngst verheirateten Elzacher Ehemann. Dieser versucht inmitten des Getümmels auf seinem schwankenden Sitz aus zwei Holzbengeln sein Gleichgewicht zu halten. Gelingt ihm dies nicht, dann wartet auf ihn nach Abschluss der Kampfhandlungen ein Vollbad im Nikolausbrunnen.
Moritatensänger, Latscharifangen und viele spontane Späße sind weitere Facetten der Elzacher Fasnet und halten das alte Brauchtum lebendig. Der Schuttig leitet seinen Namen vom "Schurtag" ab. So hieß im gesamten alemannischen Sprachraum einst der Aschermittwoch, als dieser noch der letzte und wichtigste Fasnettag war. Und der "Kollege" des Schuttig, der "Rägemolli" geht auf den Feuersalamander zurück. "Rägemolli" ("Regenmolch") heißt dieser im Oberelztäler Dialekt. Er erinnert mit seinen schwarzen Tupfen auf dem beigefarbenen Leinengewand an dieses possierliche Tierchen. Der "Rägemolli" war vor den 1960er-Jahren jahrzehntelang aus dem Elzacher Narrentreiben verschwunden. Er ist weder eine Neuerfindung noch der "Urschuttig", sondern lediglich ein Schuttig in anderem Gewand - so wie die schwarzen Panther und die Leoparden zur selben Gattung gehören. Für beide Fasnetfiguren gilt uneingeschränkt Elzachs oberstes Narrengesetz: Ein Schuttig zeigt sich niemals unmaskiert in der Öffentlichkeit. Und gerade das macht ihn wohl für Fasnetfreunde so faszinierend.
Bernd Fackler
Fasnethöhepunkte in Elzach: Sonntag, 6. Feb., 12 Uhr, Ausrufen der Fasnet,
15 Uhr, Schuttigumzug, 20 Uhr, Fackelumzug; Montag, 7. Feb., 5 Uhr, Taganrufen; Dienstag, 8. Feb., 15 Uhr, Schuttigumzug; Infos im Internet unter http://www.elzach.de
am
Fr, 04. Februar 2005