Patsch-nass, furz-trocka und Kanaaaaal-voll!

Feucht-fröhliches Fasnetmontags-Brauchtum: Die Da-Bach-na-Fahrt in Schramberg hat noch keinen umgebracht, aber manchen nass gemacht.

D a Bach na, da Bach na, mit Kummer un mit Sorga", heißt es im Schramberger Narrenmarsch. Der Liedtext kommt nicht von ungefähr: Alljährlich zur Fasnet besteigen rund 80 Kapitäne in der Fünftälerstadt im Schwarzwald ihre Holzzuber, um damit die eigens zu diesem Zwecke aufgestaute Schiltach hinunterzufahren. "Was uns nicht umbringt, macht uns nur noch härter." Diese Volksweisheit steht in die Gesichter der Gestalten geschrieben, die am Fasnetmontag in Schramberg anzutreffen sind. Zwei Tage Fasnet liegen bereits hinter den konditionsstarken Narren, doch den Höhepunkt haben sie an diesem Tag noch vor sich.

Eine Fasnet in Schramberg hat wohl noch niemanden umgebracht. Aber sie ist hart. Tausende überprüfen hier alljährlich im Selbstversuch die Auswirkungen von tagelangem Schlafentzug, Dauerbeschallung durch Katzen-, Blas-und Konservenmusik in verrauchten und schweißtreibend heißen Bars, von Dauertanzen und -singen. Wer zur Schramberger Fasnet kommt, kann aber auch beobachten, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen aus einem skurril gestalteten Holzzuber in zwei Grad kaltes Wasser fallen. Letzteres gehört zur "Da-Bach-na-Fahrt", zu einer Fasnettradition, für die Schramberg landauf, landab berühmt ist und die jedes Jahr Zehntausende in die Stadt lockt, in eine der Hochburgen schwäbisch-alemannischer Fasnet.

Seit 1951 veranstalten die Gilde der Da-Bach-na-Fahrer und die Narrenzunft Schramberg am Fasnetmontag um 13 Uhr ihre Bach-Nah-Fahrt. Doch die Ursprünge des fasnetlichen Brauches liegen schon 15 Jahre früher begründet. Am 24. Februar 1936 tagte im Gasthof Bruckbäck das "Junge Parlament" - eine Art außerzünftige Opposition zu den gesetzteren Herren des Elferrates der Narrenzunft. Bei dem ausgedehnten Frühschoppen mit traditionellem Wurstsalatessen kamen sie auf die Idee, in hölzernen Brühzubern die neu ausgebaute Schiltach hinunterzufahren. Während der Bruckbäck-Wirt alles andere als glücklich über das Vorhaben war, stachelte der Mohrenwirt, den das Spektakel angelockt hatte, die jungen Männer weiter an: "Kommet rum zu mir! Wenn Ihr die Fahrt machet, krieget Ihr a Flasch Woi, un nomol oine, un nomol oine!" Und so beschafften sie in der Nachbarschaft flugs einige Zuber. Kinder trugen eilig bemalte Plakate durch die noch ruhige Stadt. Kurz vor halb zwei, dem Arbeitsbeginn der Schramberger Fabriken, gingen die allerersten "Da-Bach-na-Fahrer" Schrambergs an den Start. Die Aktion sorgte für Aufsehen: Die meisten Arbeiter blieben stehen, um sich die Reinfälle der jungen Männer in die Schiltach anzusehen. Später beklagten die Fabriken, dass viele Arbeiter an jenem Tage nicht an den Werkbänken erschienen waren. Die Konsequenz: Seither ist der Fasnetmontag in Schramberg ein arbeitsfreier Tag.

Nach den Kriegsjahren entwickelte sich das anfangs spontane Treiben in der Schiltach langsam zur festen Tradition. Im Laufe der Jahre wurden die "Da-Bach-Na-Fahrer" immer kreativer, vor allem, was die Gestaltung ihrer Zuber angeht.

Drei Wochen vorher werden die Zuber ausgegeben

Die 40 Brühzuber werden drei Wochen vor der Fasnet an die Da-Bach-na-Fahrer ausgegeben. In Garagen, Kellern und Hallen werkeln sie dann und verkleiden die Zuber als Flug- und Fahrzeuge, Raumschiffe oder andere Plattformen für närrische Gestalten. In Nachtschichten kreieren die Da-Bach-na-Fahrer aus den nackten Holzzubern närrische Kunstwerke, deren oft trauriges Ende im Bach ein Grund zum Jammern wäre. Bei der Dekoration ihrer Gefährte müssen die Zuberbauer beachten, dass ihre Kreationen nicht zu breit oder zu lang sind für die Schikanen - Rutschen, Engpässe und menschliche Slalomparcours -, die im Bach aufgebaut sind. Außerdem dürfen die alten Zuber nicht angebohrt oder anderweitig beschädigt werden, und wassergefährdende Stoffe wie aggressive Farben und Lacke sind strikt untersagt. Zu den bestgehüteten Geheimnissen Schrambergs zählen die Baupläne und die Auftriebs- und Stabilisierungstricks erfolgreicher Zuberkapitäne.

Am Fasnetmontag belagern echte "Da-Bach-na-Fahrt"-Fans bereits am frühen Morgen die besten Plätze. Wenn dann gegen Mittag zehntausende Menschen die Ufer der Schiltach säumen, die Stadt erfüllt ist vom Gebimmel der Hanselglocken und den Rhythmen des Narrenmarsches, herrscht fröhliche Anspannung: Nach dem Startschuss schippert der Eröffnungsfahrer - ein altgedienter Kapitän im Häs, das an die Tradition der Flößer erinnert - in einem nackten Brühzuber den Bach hinunter. Seine halsbrecherische Fahrt in den Gewässern der Schiltach ist auch ein Sicherheitstest: Reckt er, im Ziel angekommen, den Daumen in die Luft, dann gibt es für die anderen Fahrer kein Halten mehr.

In kurzen Abständen laufen die bunten Zuber vom Stapel, besetzt mit je zwei Fahrern, die versuchen, bei ihren Bemühungen, ihren bunten Zuber heil bis ins Ziel zu steuern, auch noch eine gute Figur zu machen und das Publikum aufzuheizen. "Patsch-nass!" und "Kanal-voll!" sind die Schlachtrufe, die zwischen Zuberkapitänen und Zuschauern ausgetauscht werden. Letzteres bezeichnet übrigens den Zustand des Baches, und nicht, wie landläufig angenommen wird, den der Fahrer. Ein Zuber, der es heil durch die Schikanen schafft, dem schallt vom Uferrand allerhöchste Anerkennung entgegen: Furz-trocka!!!. Doch worauf das Publikum eigentlich wartet, sind die Reinfälle. Ein kleines Wackeln, eine Balance-Unsicherheit - und schon ist es passiert: Die Fahrer kippeln, suchen mit akrobatischen Bewegungen nach Halt, rutschen ab und platschen unter dem vergnügten Johlen und "Patsch-nass"-Rufen der Menge in die eiskalte Schiltach. Ehrbewusste Fahrer schwimmen selbst dann noch zwischen den durchweichten Einzelteilen ihrer Zuberdekoration bis hinter die Ziellinie. Doch die im Bach postierten Feuerwehrleute und THW-Mitarbeiter ziehen nicht selten neben havarierten Zubern auch den einen oder anderen steifgefrorenen, fast bewegungsunfähigen Schiffbrüchigen aus den Fluten, und stellen ihn zum Auftauen unter die heiße Dusche. Einige, heil gebliebene Zuber nehmen dann am Straßenumzug teil, der direkt nach dem Ende der Da-Bach-na-Fahrt beginnt.

An diesem Umzug beteiligen sich auch Narrenzünfte und -gruppen aus den Schramberger Stadtteilen. Neben der Straßen- und Bachfasnet hat aber auch die Saalfasnet in Schramberg Tradition: Karten für Sportler-, Zunft- und Da-Bach-na-Fahrer-Ball oder für die unzähligen Vereins- und Hexenbälle sind heiß begehrt.

Kerstin Simon

Da-Bach-na-Fahrt, Schramberg, Montag, 7. Februar, 13 Uhr; 20 Uhr, Da-Bach-na-Fahrer Ball im Hotel "Bären"; Info: [TEL] 07422/241974 oder im Internet unter http://www.bach-na-fahrt.de

am Fr, 04. Februar 2005

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