Respekt an einem Ort, wo Respekt starb

Die ehemalige Synagoge Kippenheim zeigt Manfred Sickmanns Fotoausstellung unter dem Titel "Das Antlitz der Anderen".

KIPPENHEIM. Ein Jahr lang hat Manfred Sickmann Menschen fotografiert, die ruhig und konzentriert vor der Kamera stehen. 36 von diesen Porträts stellt er in der ehemaligen Synagoge Kippenheim aus. Erst kamen Freunde und Bekannte, später interessierte Menschen zu ihm nach Hause, um sich einzulassen auf das Projekt, das heißt: Das Antlitz der Anderen – Eine fotografische Litanei für Respekt und Zuversicht.

Ein langer Titel für Porträtfotografie, der jedoch zeigt, dass es für diese Bilder mehr brauchte, als nur dastehen und auf den Auslöser zu drücken. Die Gesichter mit offenen und geschlossenen Augen vermitteln Stärke, Kraft, Konzentration, Ruhe - es ist das, was auch der Innenraum der ehemaligen Synagoge vermittelt, was man zusammenfassend mit Würde bezeichnen könnte.

"Ich habe aus meiner Sammlung die Bilder ausgewählt, die die meiste Kraft hatten", sagte der Fotograf bei der Ausstellungseröffnung. Beim Fotografieren seien auch Porträts mit geschlossenen Augen entstanden. Manche Personen hätten so einen gefassteren Ausdruck, als wenn sie in die Kamera blickten. Alle Modelle standen, eine Schulter leicht nach vorn gedreht, den Kopf gerade, Blick in die Kamera, die Arme verschränkt, so Sickmann. "Diese starke Haltung erkennt man auch auf dem Bild." Das Querformat habe er gewählt, um den Gesichtern mehr Raum zu geben, die Nase liege auf der Linie des Goldenen Schnitts. Diese Ästhetik der Proportionen verleihe den Porträts die erwünschte Wirkung.

Die Ausstellung verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart. Denn es geht um das Hinsehen, um Akzeptanz m, aber auch um einen respektvollen Abstand, den man dem Gegenüber, sei es eine Person oder deren Abbild, zugesteht. Damit wäre eine Grundregel des menschlichen Miteinanders erfüllt, ein humaner Umgang, den diejenigen, die diesen Ort als Synagoge besucht haben, nicht erleben durften.

"Manfred Sickmann will der drohenden Verengung unseres Sehfeldes vorbeugen. Er fotografiert mit einer Haltung und einem Anspruch an den Betrachter. In seiner emphatischen Dokumentation setzt er die Magie des Einzelbildes, das frei ist von poetischer Aufladung und Theatralik, gegen die Inflation der Selfies, die das Subjekt ersetzen", sagte Johanna Hilbrandt in ihrer Einführung.

Musikalisch hat der "Chorus Delicti" eingestimmt und mit dem Titel "Fragile" von Sting inhaltlich erreicht, was die Ausstellung und die Kulturarbeit in der ehemaligen Synagoge will: Aufmerksam machen auf die Fragilität, die Verletzlichkeit von uns Menschen, mit der Erkenntnis, dass Gewalt zu nichts führt und noch keinem etwas gebracht hat (Songtext).

Manfred Sickmann ist Diplom-Sozialwissenschaftler und Gärtner für biologischen Gemüsebau und hat im Hedwig-Wachenheim-Haus die letzten 28 Jahre seines Berufslebens als Arbeitserzieher mit chronisch psychisch kranken Erwachsenen gearbeitet.

Manfred Sickmann, Fotografie: Das Antlitz der Anderen - Eine fotografische Litanei für Respekt und Zuversicht. Ehemalige Synagoge Kippenheim, Poststraße, Geöffnet: Sonntags 14 bis 17 Uhr. Bis Ende September.
von Eri Sieberts
am Do, 11. Juli 2019

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