Familientour

Rheinfall Schaffhausen

Gewaltiges Naturspektakel und kurios obendrein: der Rheinfall in der Schweiz.

"Der Arme. Das schafft der doch nie im Leben!", ruft das Kind gegen das Donnern an und starrt gebannt in die brausende Gischt. Nur wenige Sekunden dauert das seltsame Schauspiel: Ein Fisch hüpft aus dem Wasser, schlängelt sich durch die Luft, ehe die Schwerkraft siegt, er zurückplumpst und von den tosenden Wassermassen verschluckt wird, dort am Fuße des Rheinfall in der Schweiz, wo uns der heutige Familienausflug hingeführt hat.

Natürlich weiß der Fisch nicht, dass er gegen einen der größten Wasserfälle Europas anhüpft. Zwar ist der Rheinfall nur 23 Meter hoch, aber dafür donnern auf einer Breite von 150 Metern in Spitzenzeiten 600 000 Liter pro Sekunde in die Tiefe. Um dieses Naturspektakel direkt vom Wasser aus zu sehen, besteigen wir ein Schiff. Unser Kapitän sieht genauso aus, wie einer aussehen muss, stattlich, mit wettergegerbtem Gesicht und Mütze. Wir nehmen Platz, bekommen die Kopfhörer aufs Ohr gedrückt und los geht’s. Das lange Boot nimmt Fahrt auf, knattert vor sich hin wie ein gut geölter Rasenmäher.

Warmer Wind streicht durchs Haar und mit der Sonne im Gesicht zieht die Landschaft langsam vorbei – und ebenso die Geschichte des Rheinfalls über den Kopfhörer, erzählt von einer angenehmen Frauenstimme. Rechts sehen wir den Kanton Schaffhausen und linksufrig den Kanton Zürich, informiert sie uns, plaudert über Streitereien zwischen Zürich und Schaffhausen um das Fähr- und Zollrecht. Mit einer langgezogenen Kurve nähern wir uns allmählich dem Wasserfall.

Der Rheinfall ist aus geologischer Sicht ein Jungspund, entstand vor 15 000 Jahren, sagt die Stimme am Ohr. Die Eiszeit war es, die dazu führte, dass der Fluss mehrmals seinen Lauf änderte. Während der letzten Eiszeit erreichte der Rhein oberhalb des Falls sein heutiges Bett auf hartem Malmkalk. Beim Übergang von diesem zur leicht abtragbaren, weil leichteren Schotterrinne entstand zunächst eine kaum aufsehenerregende Stromschnelle.

Auf das, was daraus geworden ist, tuckern wir nun direkt zu. Das Boot bekommt ordentlich Wellengang, schaukelt hin und her und direkt vor uns baut sich eine mächtige, weiß-grün donnernde Wasserwand auf. Die Gischt spritzt und benetzt unsere Gesichter, bedrohlich schaukelt das Boot, tanzt auf den Wellen, wird ein Stück abgetrieben und fährt wieder auf den Rheinfall zu. Auslöser klicken, Selfies werden aufs Handy gebannt – der Wasserfall und ich, ich und der Wasserfall. Auch auf dem Känzeli, einer Aussichtsplattform auf der Züricher Seite, stehen wild knipsende Menschen. Fast hat es den Anschein, als würde die tosende Wand näher rücken und sie schlucken. Das tut sie natürlich nicht. Aber unglaubliche Wassermassen walzen über die Felskante, rollen auf uns zu, wirbeln und toben durch die Luft, ehe sie das 13 Meter tiefe Fallbecken aufwühlen – was ein Spektakel!

Schon viele hätten versucht, den Rheinfall zu überwinden, erzählt die Stimme am Ohr. Als Erstem gelang es einem tschechischen Studenten im Februar 1976 auf der rechten Route. Der Extremsportler Felix Lämmler war es jedoch, der sich 2006 erstmals für die Befahrung der schwierigen linken Seite beim Känzeli in die Fluten stürzte – verbotenerweise, denn seit 1999 werden saftige Bußgelder für die waghalsige Abfahrt verteilt. Nur einer war wohl noch früher dran als die Profis: Einer Legende nach sei vor langer Zeit ein Fischer in seinem Boot oberhalb des Rheinfalls eingeschlafen und schweißgebadet unterhalb des Falls wieder erwacht. Als er das beim Feierabendbier erzählte, bot ihm ein unheimlicher Fremder zehn Goldtaler für eine weitere Fahrt. Der Fischer nahm an, stieg oberhalb des Wasserfalls ins Boot – und wurde nicht wieder gesehen. Manchmal, so erzählt man sich, sei aber beim Wasserfall das Schreien des Fischers zu hören.

Das Boot dreht ab und nimmt wieder Kurs auf das Hafenbecken. Der Rheinfall, erzählt die Stimme weiter, sei von jeher ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region. Früher wurden die auf dem Fluss beförderten Waren mühsam oberhalb des Falls ausgeladen, um unterhalb wieder verschifft zu werden – eine wichtige Einnahmequelle für die Schaffhausener und ohne Rheinfall hätte es wohl auch die Stadt nicht gegeben.

Doch immer wieder gab es Projekte, um den Rhein durchgängig schiffbar zu machen. So kamen die Holländer im 16. Jahrhundert auf die explosive Idee, den ganzen Rheinfall in die Luft zu sprengen.

Harmloser mutet dagegen ein Vorhaben aus dem 20. Jahrhundert an, wonach ein riesiger Tunnel inklusive Schleusen gebaut werden sollte – doch auch das scheiterte an Umweltbedenken und daran, dass die Schifffahrt allmählich ihre Bedeutung verlor.

Im nun wieder ruhigen Wasser steigen wir aus. Noch immer stürzen Wassermassen über die Felskante, noch immer knipsen die Touristen vom Känzeli oder Felsen aus das besondere Naturschauspiel. Ob wohl der hüpfende Fisch mittlerweile aufgegeben hat?

Vielleicht sollte er sich einen kleinen Tipp vom Aal geben lassen, denn der ist scheinbar der einzige Fisch, der den Rheinfall flussaufwärts überwinden kann.

Weitere Infos: Schiff-Audioguide-Tour ab Schlössli Wörth, Rheinhausen, täglich Juli und August, Dauer 30 Minuten,10 CHF, Kinder 5 CHF; Infos bei Rhyfall Mändli, Tel. 0041/526724811 oder unter http://www.rhyfall-maendli.ch
Zu Fuß: Rheinfall-Rundwege, Infos unter http://mehr.bz/rheinfallweg
Feuerwerk: Am 31. Juli, um 21.45 Uhr gibt es ein großes Rheinfallfeuerwerk, Infos unter http://www.rheinfall.ch
von Anita Fertl
am Fr, 28. Juli 2017

Badens beste Erlebnisse