Techno

Ricardo Villalobos legt im Basler Nordstern auf

Ricardo Villalobos wandelt zwischen den Genre. Er vertont Stummfilm-Klassiker, remixt Jazzstücke und bringt als Disc Jockey weltweit Tanzflächen zum Ausrasten – am Freitag im Basler Nordstern.

"Der Mann, den sie Gott nannten", titelte die Süddeutsche Zeitung 2010. "Posterboy of global techno underground", beschreibt ihn der Musikjournalist Sam Richards 2011 im britischen Guardian. Für die Frankfurter Rundschau ist er schlicht "der Spieler".

Gemeint ist Ricardo Villalobos, 1970 in der chilenischen Hauptstadt Santiago geboren. Aufgewachsen ist er allerdings im Rhein-Main-Gebiet, auf dem Land bei Darmstadt. Seine Eltern flohen 1973 vor der Pinochet-Diktatur, zogen ins Städtedreieck Frankfurt, Offenbach, Darmstadt.

Dort kommt er zum ersten Mal in Kontakt mit der elektronischen Clubmusik, mit Schlüsselfiguren der lokalen Szene wie Heiko Schäfer alias Heiko M/S/O und Ata Macias, die 1991 den Plattenladen "Delirium" eröffneten und den Wild Pitch Club betrieben. Ab 1993 wurde er Resident im Darmstädter Café Kesselhaus und begann, erste Stücke zu produzieren. Noch im selben Jahr veröffentlichte er mit der "Sinus Poetry E.P." seine erste Vinylschallplatte. 1995 legte er mit der gerne auch als Minialbum bezeichneten Maxi-Single "The Contempt" nach. Bereits damals war im Kern der Stücke veranlagt, worauf Villalobos auch heute noch großen Wert legt: Raum, Zeit und Sound.

Für den heute in Berlin lebenden Disc Jockey und Produzenten ist elektronische Clubmusik kein bloßes Stampfwerk. In seinen Stücken besetzt er auch die Freiräume zwischen den Bassdrums – mit Sprach- und Instrumentensamples, polyrhythmischer Perkussion und mit abstrakten Geräuschen. Einem Knirschen, Knistern oder Knacken. Diese ziehen sich durch die Stücke, die oft über zehn Minuten dauern, mit einer organisch anmutenden Eigendynamik.

Organisch wirken auch die Bässe. Sie fließen, führen den Hörer in eine hypnotische Trance. Deutlich herauszuhören ist dies auf "Alcachofa", seinem Debütalbum aus dem Jahr 2003, und den Stücken, die er für seine Mix-CD auf dem Londoner Plattenlabel Fabric ausgewählt hat. Mit den Jahren ist Villalobos’ Stil noch reduzierter und abstrakter geworden. Die Stücke sind kaum noch tanzbar, kaum greifbar. Filigrane Sounds unterlegt er mit schwebenden Drum-Grooves und tänzerischen Trommelklängen. In der Freiheit der Herangehensweise an House und Techno bewegt er sich dabei nahe am Jazz.

So verwundert es nicht, dass er 2011 zusammen mit dem Berliner Elektronikmusiker Max Loderbauer, Mitglied unter anderem beim experimentalmusikalischen Moritz von Oswald-Trio, Stücke aus dem Katalog des Münchner Jazzlabels ECM ausgewählt und neu interpretiert hat. Loderbauer und Villalobos haben Kompositionen von Christian Wallumrød, John Abercrombie oder Paul Motian in ihre Einzelbestandteile zerlegt; die Instrumentalparts und Grooves entzerrt und sie mit Klängen aus modularen Synthesizern und analogen Drum-Maschinen neu arrangiert. Stets darauf bedacht, einen sich langsam entfaltenden, hypnotischen Groove zu entwickeln. Die perfekte Grundlage für die tief spirituellen Momente auf der Tanzfläche.

Für diese sorgen neben Ricardo Villalobos am Freitag im Nordstern: Michel Sacher, Gianni Callipari und Discø Chånnel.
Basel, Ricardo Villalobos, Nordstern, Fr, 20. Feb., 23 Uhr.
von Bernhard Amelung
am Do, 19. Februar 2015 um 16:37 Uhr

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