Riechen, fühlen und schmecken

Wesserling und die Gartenkunst im größten Park des Elsass.

N och ist es ruhig im Park von Wesserling. Ein Gärtner zieht einsam seine Runden mit dem Rasenmäher zwischen den Beeten. Der Küchenchef des Restaurants im Park hat sein Gemüse, das er den Besuchern des Parks zum Mittagessen serviert, gerade aus den Gemüsegärten des Parks gepflückt. Nun zupft er noch ein paar Blättchen von den Gewürzkräutern ab. Es ist frisch an diesem Morgen. Nebel zieht von der nahe gelegenen Thur über den Park, Spinnweben glitzern in der Morgensonne. Noch einmal zeigt der Sommer, was in ihm steckt. Die Blumen strahlen mit der Sonne um die Wette. Doch der Herbst kündigt sich bereits an.

Als nach 241 Jahren Textilindustrie im elsässischen Wesserling, westlich von Thann an der Straße zum Col de Bussang gelegen, die letzten Maschinen der ehemals königlichen Textilmanufaktur - in Hochzeiten arbeiteten hier bis zu 6000 Menschen - endgültig abgeschaltet wurden, versanken das Schloss von 1699, Park, Herrenhäuser und die Fabrikgebäude in einen Dornröschenschlaf. Doch seit kurzem haben Handwerker und Künstler Wesserling für sich entdeckt und erwecken die Fabrikgebäude wieder zu neuem Leben. Das ganze Ensemble, Park, Schloss und das inzwischen gegründete Textilmuseum wurden 1996 unter Denkmalschutz gestellt. Es ist mit seinen 17 Hektar Gesamtfläche der größte Park im Elsass.

Behutsam neu in Szene gesetzt - nach alten Zeichnungen oder Fotografien - werden seit fünf Jahren in Wesserling die unterschiedlichen Gartentypen des Parks, der Gemüsegarten aus dem 19. Jahrhundert, der französische Garten aus dem 18. Jahrhundert oder der englische Garten mit seiner mehr als 50 Meter hohen Weymuthkiefer und den Mammutbäumen. In diesem Jahr wurden die mediterranen Terrassen nach einer Vorlage von 1850 neu gestaltet. Bis 26. September kann das "2. Festival der gemischten Gärten" bewundert werden. Nicht ohne Stolz führt Eric Jacob, Direktor des Textilmuseums, durch den Park: "Wir haben in diesem Jahr acht Künstler aus Frankreich und Berlin aufgefordert, sich zum Thema Schrebergarten Gedanken zu machen und diese in ein Kunstwerk umzusetzen, das gleichzeitig auch Verbindungen zur Textilindustrie herstellt.."

Überraschend sind die Anlagen im französischen Garten. So befindet man sich plötzlich am Strand, bei den "Jour de vacances", den Ferientagen, einem Garten mit Sand, blau-weiß gestreiften Schirmen, weißen Umkleidehäuschen, Liegestühlen und als Farbtupfer mit Blumen gestaltete bunte Strandtücher. Den "Jardin tapis", den Gartenteppich, möchte man sich am liebsten zu Hause ins Wohnzimmer legen. Interessant auch der "Jardin des coutures". Ein riesiges Schnittmuster, dekoriert mit Ringelblumen, Sonnenbraut und Grünkohlflanzen, liegt plötzlich vor unseren Füßen, gestaltet von Berliner Künstlern.

Aber nicht nur diese acht von Künstlern gestalteten Gärten, sondern auch die Gemüsegärten aus dem 18. Jahrhundert wurden unter Berücksichtigung der textilen Vergangenheit gestaltet. So erkennt man plötzlich ein Vichy-Karo, gewebt von Kohlrabipflanzen, der tanzenden "Jungfer im Grünen", der Nigella, die sich um weiße Mohnpflanzen und blauen Lavendel schlingen. Im nächsten Beet buhlen orangefarbene Tagetes, Rotkraut-, Zucchini- und rote Basilikumpflanzen um die Gunst der Besucher.

Im nahen Textilmuseum, einem ehemaligen Gebäude für Baumwolldruck, das in diesem Jahr noch um 1000 Quadratmeter erweitert werden soll, werden die verschiedenen Phasen der Stoffverarbeitung vorgestellt. Das Museum beherbergt auch eine Ausstellung "Hüte und Schuhe". Riechen, fühlen, schmecken, anfassen - dies kann der Besucher nicht nur bei den Pflanzen im Park von Wesserling, sondern auch in der Ausstellung "Textiles du Futur" bei den High-Tech-Textilien.

Renate Schneider

Gartenfestival: Husseren-Wesserling, Parc de Wesserling,bis 26. September, tägl. 10 bis 18.30 Uhr, Textilmuseum von 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr (Montag geschlossen). Am Sonntag, 22. August, sind Gartenbaukünstler anwesend; Info unter [TEL] 0033/389382808

am Fr, 20. August 2004

Badens beste Erlebnisse