Mehr als Bollenhut

Schwarzwaldmuseum Triberg

Land der Tüftler: Das Schwarzwaldmuseum Triberg erinnert an die Geschichte von Brauchtum und Handwerk.

Der Osten des Schwarzwalds ist das Land der Tüftler. Weil die Landwirtschaft wegen des Klimas und der Topografie die Menschen nicht ernähren konnte, mussten sie sich handwerklich betätigen. Bergbau, Uhrmacher, Glashütten, Musikautomaten waren das Ergebnis des Schwarzwälder Erfindergeistes. Etliche Museen erzählen die Geschichte von Schwarzwälder Industrie und Handwerk – das Deutsche Phonomuseum in St. Georgen, das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen, das Auto- und Uhrenmuseum Schramberg und das Schwarzwaldmuseum Triberg, das mitten in der Stadt in der ehemaligen Gewerbehalle einen besonders breiten Bogen in die Geschichte von Handwerk und Brauchtum im Schwarzwald schlägt.

Triberg ist ein durchaus angemessener Ort für einen solchen Rückblick. Denn dort hat der geniale badische Ingenieur Robert Gerwig das Herzstück der Schwarzwaldbahn geschaffen: die Kehren und Kehrtunnel, mit denen die 564 Meter Höhenunterschied überwunden werden. Die Schwarzwaldbahn war nicht nur Vorbild für die Gotthard-Bahn, sie hat auch die Kuckucksuhr geprägt, wie heute noch zu sehen ist. Denn für das handgeschnitzte Gehäuse stand ein Bahnwärterhäuschen Pate.

In 16 üppig bestückten Räumen gibt es auf drei Etagen und 1600 Quadratmetern viele interessante und wertvolle Exponate. Besonders eindrücklich erzählen die Werkstätten von der Handwerkskunst. Da ist die Strohflechterin, deren Strohhüte und -taschen viel zur Existenzsicherung der Höfe beitrugen, und die Schneflerwerkstätte, in der das reichlich vorhandene Holz zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet wurden. Da sind die Feilenhauer- und natürlich die Uhrmacherwerkstatt, in der nicht nur das Uhrwerk erst aus Holz, später aus Metall gefertigt wurde, sondern auch die fantasievollen Lackschilder bemalt wurden. Die Glasindustrie ist mit zahlreichen Exponaten vertreten, und an den Bergbau erinnert ein nachgebauter Stollen, durch den Besucher gehen und die Mineralien bestaunen können.

Eine Uhrenwand erzählt die Geschichte der Schwarzwalduhr von den Anfängen des 17. Jahrhunderts bis heute – wobei die Kuckucksuhr eine der wenigen Uhren ist, die heute noch im Schwarzwald gefertigt werden.

Parallel zu den Uhren wurden die Musikautomaten hergestellt. Rund 100 Spieluhren, Orchestrien, Drehorgeln und automatische Klaviere umfasst die Sammlung. Das imposanteste Exemplar, ein Orchestrion der Firma Tobias Heizmann mit fast 500 Pfeifen ersetzte 50 Musiker und kostete 1885 stolze 12 000 Goldmark. Heute ist es wohl eine halbe Million Euro wert – für fünf eingeworfene Euro erfüllt es etliche Museumsräume sieben Minuten lang mit Musik. Daneben steht eine dreiköpfige Bauernkapelle der Firma Blessing von 1935, deren lebensgroße Figuren für zwei Euro zünftig aufspielen.

Viel beachtete Tonträger aus dem Schwarzwald

Nach den Musikautomaten war der Weg zu Plattenspieler und Radio wohl zwangsläufig. In Triberg wurde 1835 die Uhrmacherwerkstatt gegründet, die dann als Saba in Villingen von 1930 an zu den Marktführern bei den Radiogeräten gehörte. Eine ganze Ahnenreihe vom frühen Radio bis zum Fernsehgerät "Schauinsland" und sogar einem Saba-Kühlschrank steht für diesen Teil der Schwarzwälder Industriegeschichte. Die von 1963 an auch mit Jazz verbunden war, durch das Schallplatten-Label Saba, später MPS. Berühmtester Interpret war Oscar Peterson, der unter anderem den Tonträgern aus Villingen internationale Beachtung bescherte.

Trachten dürfen in einem Schwarzwaldmuseum nicht fehlen. Dazu gehört das Markenzeichen des Schwarzwalds, der Bollenhut, der genau genommen nur in drei Kinzigtalgemeinden bei Gutach getragen wird. Weiter verbreitet ist der Schäppel, die Brautkrone, die zur Hochzeit den Kopf der Braut ziert. Ein besonders schönes und gewichtiges Exemplar ist mehr als 100 Jahre alt und gehört zur evangelischen Hochzeitstracht in Langenordnach.

Selbst die alemannische Fasnacht fehlt nicht: Ein ganzer Raum voller Narren mit den Kostümen vom Gutsele-Schlecker aus Triberg bis zum Villinger Narro komplettiert die "Kleidersammlung".

Der Schwarzwaldbahn ist ein ganzer Raum mit einem Modell samt der Kehren und Tunnel bei Triberg gewidmet. Beim Einwurf von einem Euro bewegt sich der Zug – aber "Bitte etwas Geduld. Der Zug befindet sich eventuell im Tunnel."

Nach ein paar Stunden zwischen Handwerk, Kunstgewerbe und Technik haben wir uns ein wenig Erholung verdient im Museumscafé – stilgerecht bei Schwarzwälder Kirschtorte oder Flädelesuppe. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass früher nicht alles besser, in jedem Fall aber mühevoller war.

Weitere Infos: Schwarzwaldmuseum Triberg:
Öffnungszeiten: Oktober bis März, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, April bis September täglich von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro, 13 Euro für zwei Erwachsene mit Kindern unter 18 Jahren. Mehr Infos im Internet unter
http://www.schwarzwaldmuseum.de
von Rolf Müller
am Fr, 11. November 2016

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