Spannende Führungen auch für Kinder

Schweizer Museum für Musikautomaten

Spannende Führungen, auch für Kinder: Die einzigartige Sammlung im Schweizer Museum für Musikautomaten .

Behutsam öffnet Christoph E. Hänggi eine schmale lange rote Pappschachtel. Darin liegt eine recht vergilbte Papierrolle, der man ihr Alter von rund 100 Jahren ansieht. "Wir haben mit 1230 Rollen die weltweit größte Sammlung von Welte-Rollen", erzählt der Chef des Schweizer Museums für Musikautomaten in Seewen, einem Ort rund 25 Kilometer südlich von Basel, nicht ohne Stolz.

Welte-Rollen sind jene historischen Musikdokumente, die von 1904 bis zum Siegeszug der Schellackplatte im Freiburger Stadtteil Stühlinger, später auch in Leipzig, New York, Moskau, St. Petersburg und Paris aufgezeichnet und vom Welte-Stammsitz in Freiburg aus vertrieben wurden. Die Interpreten, über deren Aufnahmen das Museum verfügt, waren bedeutende Komponisten wie Mahler, Reger oder Debussy, aber auch namhafte Interpreten wie Walter Gieseking. Die altersschwachen Papierrollen sind inzwischen alle digitalisiert, die Instrumente, Klavier oder Orgel, werden vom PC aus gesteuert.

Darunter natürlich das Prachtstück des Museums, die Welte-Philharmonie-Orgel der Britannic, die fast die gesamte Wand des großen Klang-Kunst-Saals für Sonderausstellungen einnimmt. Davor steht auch noch das einzig erhaltene Aufnahmegerät, das an einen großen Webstuhl erinnert. Die Orgel aus der Freiburger Welte-Fabrik spielte ursprünglich zum Tanz auf dem Schwesterschiff der Titanic auf und steht seit 2007 in dem Museum mitten im idyllischen Schweizer Jura.

Das Museum, eines der Schweizer Bundesmuseen, verdankt seine Existenz der Leidenschaft von Heinrich Weiss, der Schweizer Musikdosen, Musikautomaten und Phonographen gesammelt und sie vor 38 Jahren öffentlich zugänglich gemacht hat. 1990 schenkte er Sammlung und Museumsbau am Rand von Seewen der Eidgenossenschaft. Seit 2006 ist dort auch die Phonographensammlung Kornhaus aus Burgdorf im Kanton Bern untergekommen, von wo einst die Lenco-Plattenspieler kamen.

Während Hänggi die Britannic-Orgel startet und Peer Gynts "Morgenstimmung" wie von Geisterhand gespielt rauschend erklingt, ist die Musik aus den übrigen Räumen nicht zu überhören.

Es beginnt schon mit den regelmäßigen Vorführungen der Jahrmarktsorgeln aus Waldkirch von Wilhelm Bruder und Carl Frei im Eingangsbereich, vor allem aber sind es die Schulkinder, die mit unüberhörbarer Begeisterung durch die langen Flure laufen. Kein Wunder: Schließlich hat man ihnen gerade nicht nur gezeigt, wie Musikdosen funktionieren, sie durften selbst Rollen stanzen und wollen sie jetzt abspielen.

Während der einstündigen Führung haben sie die Technik hinter den oft phantasievollen Gehäusen im Werkstattsaal bestaunt, im Salon bleu in tiefen Sesseln gesessen und bei Schummerbeleuchtung dem automatischen Steinway-Aeolian-Flügel gelauscht, der vor Erfindung der Stereoanlage den gutbürgerlichen Salon beschallte.

Und sie haben sich im Tanzsaal an den Orchestrien erfreut, etwa an der Hupfeld-Violina, die auf drei Geigen gleichzeitig spielt, an Poppers jazzig-fetzigem Welt-Piano oder Webers Unika von 1917 aus Waldkirch. Das spielt nicht nur munter auf, sondern lässt auf einer TV-ähnlichen Scheibe sich ein Windrad drehen und einen Zug vorbeifahren, für Museumschef Hänggi der erste Farbfernseher der Nordwestschweiz, der bis in die 30er-Jahre im Kurhaus des schweizerischen Rheinfelden stand.

Und dann sind da noch die vielen kleinen Musikdosen und tönenden Figuren, etwa der trinkende Senn, der auf wundersame Weise jedes Mal wieder einen vollen Becher mit Wasser hat. Eine Sonderausstellung versammelt bis Oktober im Klang-Kunst-Saal die ganze Vielfalt der Schweizer Plattenspiel-Dosen: "Stella, Gloria und Edelweiss – Blechplattenmusik aus der Schweiz". Für Interessenten bringt einer der beiden Restauratoren des Museums diese dienstags und donnerstags um 15.05 Uhr zum Klingen.

Damit muss ein Besuch in Seewen indessen nicht ausklingen. Einen Museumsshop und ein Restaurant gibt es für die Besucher, und am Eingang gibt es für zwei Schweizer Fränkli eine Broschüre mit 21 Wandertipps durchs Schwarzbubenland rund um das Museum in 610 Meter Höhe, vom 45-minütigen Spaziergang bis zur zweieinhalb-stündigen Wanderung auf den 759 Meter hohen Dietel.

von Rolf Müller
am Fr, 09. Juni 2017

Info

Museum für Musikautomaten

Adresse: Bollhübel 1, CH-4206 Seewen (Kanton Solothurn)
GPS: 47°26'25''N, 07°39'45''E
Geöffnet: Di bis So, 11 bis 18 Uhr, Eintritt mit allen Führungen 18 Sfr, ermäßigt (Studenten und Schüler über 16 Jahre) 14,50 Sfr, Kinder bis 16 Jahre 8 Sfr, Familien 30 Sfr;
Weitere Infos: Tel. 0041/58/466 78 80, http://www.musikautomaten.ch  

Autor: rm

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