Sichtbarer Gegenwartsbezug

Das Freie Theater Tempus Fugit in Lörrach geht in die zweite Saison im neuen Haus.

Moby Dick, der weiße Wal, und Martin Luthers Ehefrau Katharina von Bora tauchen in der neuen Saison des Lörracher Freien Theaters Tempus Fugit auf. Voran gehen jeweils zwei Eigenproduktionen von Spielern und Wiederaufnahmen aus vorangegangenen Spielzeiten. Schwerpunktmäßig werden sich diverse Veranstaltungen und Diskussionen um das Thema "Kinder und Theater" drehen, wobei die Lörracher Theaterleute wissen wollen, wie Kinder Theater sehen. Nebenbei laufen in diesem Jahr bereits die Vorbereitungen zu einem internationalen Drei-Jahres-Großprojekt mit Kooperationspartnern in Großbritannien, Spanien, Italien und Deutschland.

Eine neue Burghofproduktion bringt das Jahr 2018 dagegen nicht, stattdessen steht ein weiteres Großprojekt mit dem Rheinfelder Big Sound Orchestra an. Mit Premiere am 7. Dezember wartet vorab eine Bühnenadaption von Herman Melvilles "Moby Dick", bei der Theaterchefin Karin Maßen zusammen mit Vaclav Spirit Regie führt. Auf der Bühne stehen hier sechs Spieler und zwei Spielerinnen aus dem Spielzeitteam 2016/2017. "Uns geht es beim Stück darum zu zeigen, wie manipulierbar Menschen sind und wie Gut und Böse sich verschieben lassen", erklärt Karin Maßen ihren Ansatz mit sichtbarem Gegenwartsbezug. Eine Herausforderung sei es dabei, sowohl den Stoff bühnentechnisch zu verarbeiten als auch gegen Bilder des berühmten Films von 1956 mit Gregory Peck in der Rolle des diktatorischen Kapitän Ahab anzukommen.

Bis Ahab und seine Besatzung aber die Segel hissen, bleibt die Tempus Fugit-Bühne keineswegs verwaist. Zum Auftakt nach der Sommerpause löst das Freie Theater zuerst einmal mehr sein Förderversprechen ein. Spieler und Spielerinnen aus dem Spielzeitteam 2016/2017 und ein angehender Theater-, Film- und Medienwissenschaftler haben in der theaterfreien Zeit im Kollektiv das als "sehr politisch" angekündigte Stück "Kleinspende – Fühlen Sie sich noch schön?" erarbeitet, das am 30. September Premiere hat. Den Jungen nicht nur eine Bühne, sondern auch die technischen und räumlichen Möglichkeiten für ein eigenes Projekt zu bieten, gehöre schließlich zum Anspruch des Hauses, so die Theaterchefin: "Wir verstehen uns ja ausdrücklich als eine Plattform für junge Künstler."

Demselben Credo verdankt auch "Ich möchte einmal eine solche werden, wie eine andere gewesen ist" seine Entstehung, das am 12. Oktober Premiere feiert. Auch bei diesem Stück, dessen poetischer Titel eine Anlehnung an Peter Handkes frühes Drama "Kaspar" ist, waren zwei Tempus Fugit-Spielerinnen den Sommer über in Eigenregie aktiv. Diesmal geht es um Themen wie Sexualität, Köper und Frauenbild. Auch Magersucht spielt eine Rolle. Denkbar ist in beiden Fällen eine Weiterbearbeitung als Schulvorstellung. Auch bereits Bewährtes steht wieder auf dem Programm. So kommt "Antigone" in der Regie von Simone Luedi am 27. Oktober als Wiederaufnahme mit der Erwachsenengruppe noch einmal ins Kesselhaus in Weil am Rhein, und Vaclav Spirit wird mit seiner Truppe "Gut und Edel" noch einmal "Die sieben Todsünden" aufnehmen.

Im Rahmen der VHS-Veranstaltungsreihe zum Jubiläum "500 Jahre Reformation" steht schließlich eine szenische Lesung nach Christine Brückners "Wenn Du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen" (1984). Zum Anlass passend wurde Katharina von Boras gedachte Abrechnung mit dem Reformator ausgewählt, die aller Wahrscheinlichkeit nach so nie stattgefunden hat. Regie führt auch hier Karin Maßen, den Bora-Monolog trägt Sabrina Loessl vor.

Theater Tempus Fugit,
Reservierungen: 07621/157849, online unter http://www.fugit.de
von ama
am Fr, 22. September 2017

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