Kino-Interview

Sönke Wortmann über den Beruf des Bergmanns und seinen Film „Sommerfest“

TICKET-INTERVIEW: Sönke Wortmann über den Beruf des Bergmanns und seinen neuen Film "Sommerfest".

Mit den Fußballfilmen "Das Wunder von Bern" (2003) und "Deutschland. Ein Sommermärchen" (2006) begeisterte Sönke Wortmann (57) ein Millionenpublikum, wie bereits 1994 mit der Komödie "Der bewegte Mann". Sein bisher teuerster Film war die Bestsellerverfilmung "Die Päpstin" (2009), und nach "Frau Müller muss weg" (2014) und der TV-Serie "Charité" verfilmte er nun den Roman "Sommerfest" von Frank Goosen. Markus Tschiedert sprach mit Sönke Wortmann.

Ticket: Was Goosens Roman mit Ihnen zu tun, dass Sie ihn quasi sofort verfilmen wollten?
Wortmann: Es ist ein Buch über meine Heimat, wo ich groß geworden bin und an der ich immer noch hänge. Ich finde, dass es ganz tolle, glaubhafte und nicht klischeebehaftete Figuren zeigt. Es wird ein Milieu beschrieben, das ich sehr gut kenne, und das wollte ich gern als Film weiterführen.
Ticket: War die Arbeit an diesem Film auch ein bisschen so wie nach Hause kommen?
Wortmann: Auf jeden Fall! Ich konnte mich gut in die Figur von Stefan, die von Lucas Gregorowicz gespielt wird, hineinversetzen. Sie kommt ja auch von München nach Hause, und auch ich habe lange in München gewohnt. Ich kenne also den Weg, ich kenne den Zug, der von München ins Ruhrgebiet fährt, und ich kenne ebenso die Leute, die in der Geschichte vorkommen. Nach Hause kommen, ist schon richtig, und nach Hause kommen, ist auch schön.
Ticket: Wie sind die Leute aus dem Ruhrgebiet? Was unterscheidet Sie von Münchnern oder Berlinern?
Wortmann: Ich versuche, das mal zu beschreiben, so wie ich das Ruhrgebiet kenne. Ich komme ja aus einer Bergmannsfamilie, und das war über viele Jahre eine große Industrie. Unten im Schacht war es lebensgefährlich. Da musste sich einer auf den anderen verlassen, und man konnte leicht sein Leben verlieren, wenn nicht einer auf den anderen aufgepasst hätte. Diese Solidargemeinschaft ist in Fleisch und Blut übergegangen. Das ist etwas, was das Ruhrgebiet immer noch ausmacht. Das gefällt mir natürlich an den Menschen, die sehr herzlich sind. Das merkt man immer daran, dass sie sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf werfen, ohne dass sie es aber so meinen.
Ticket: Was sich liebt, das neckt sich, sagt man in Berlin...
Wortmann: Ja, das geht in die Richtung, Necken ist aber ein komisches Wort. Hart, aber herzlich – das trifft es besser, würde ich sagen, dabei ist es aber nicht unfreundlich. Es kommen so viele schöne Schimpfwörter im Film vor. Allerdings kann ich mich nie entscheiden, welches ich am schönsten finde. "Bildungsfernes Arschloch" finde ich ganz gut.
Ticket: Sind Sie auch selber so im Umgang mit Menschen?
Wortmann: Nein. Das habe ich wahrscheinlich abgelegt. Ich bin ja auch lang in München gewesen. Da legt man das dann ab, weil es dort auch nicht so verstanden wird. Du kannst ja zu einem Bayer nicht sagen: "Ey, du Amöbe!" Das versteht er vielleicht falsch.
Ticket: Mittlerweile wohnen Sie aber in Düsseldorf. Wie geht man dort miteinander um?
Wortmann: Da ist es auch ein bisschen anders, aber der Düsseldorfer Norden, wo ich wohne, grenzt an den Duisburger Süden. Das ist quasi in Spuckweite vom Ruhrgebiet.
Ticket: Mit "Sommerfest" zelebrieren Sie in gewisser Weise einen nostalgischen Blick. Wie hat sich das Ruhrgebiet für Sie verändert?
Wortmann: In meiner Kindheit konnten wir draußen nicht Wäsche trocknen, weil sie dann durch Kohle und Ruß wieder dreckig wurde. Das ist das Schöne, dass wieder alles grün geworden ist und man wieder in der Ruhr schwimmen kann.
Ticket: Hatten Sie mal überlegt, in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten und Bergmann zu werden?
Wortmann: Nein, ich habe das zwar immer sehr geschätzt, aber ich war gut in der Schule und dann macht man das Abitur und wird im günstigsten Fall Regisseur. Ich bin schon lieber Regisseur als Bergmann.



















von tsc
am Fr, 30. Juni 2017

Info

SOMMERFEST

Regie: Sönke Wortmann
Mit Lucas Gregorowicz, Anna Bederke, Nicholas Bodeux, Peter Jordan, Markus John und anderen
92 Min., ohne Altersbeschränkung

Die Story
Noch in Maske fährt Schauspieler Stefan (Gregorowicz) von München nach Bochum, weil sein Vater gestorben ist. In der alten Heimat muss er sich um die Beerdigung kümmern, trifft Kumpels von früher – und seine Jugendliebe Charlie (Bederke)...  

Autor: bz

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