Die Legende im Gewölbekeller

Solex-Museum in Waldenburg

Aus Liebe zum Töff: Ein kleines Museum im Schweizer Jura erzählt die Geschichte des Velo Solex .

Drei Liter auf 100 Kilometer? Autofahrers Traum wäre für den stolzen Besitzer eines Velo Solex ein Alptraum gewesen. Mit dem Verbrauch wäre sein Zweirad mit dem charakteristischen Motor über dem Vorderrad nicht weit gekommen. Nur ein bis eineinhalb Liter passten in das Gefährt, dann musste die nächste Tankstelle angefahren und ein spezielles Zweitaktgemisch aufgefüllt werden. Das gab es an nahezu jeder Tankstelle. Das Velo Solex gehörte zu Frankreich wie der 2 CV, Jacques Tati, die Gauloise und das Baguette. Acht Millionen Solex wurden zwischen 1946 und 1988 verkauft, als Nachbauten aus China und Ungarn lebt die Legende bis heute.

Für Roland Blättler begann die Liebe zum Velo Solex vor gut 35 Jahren mit einer weniger schönen Erfahrung. Sein Solex, mit dem er jeden Morgen im schweizerischen Stans zur Arbeit fuhr, wurde gestohlen und ausgebrannt aus einem See gefischt. Seine Stammtischfreunde erbarmten sich des höchst unglücklichen Diebstahlopfers und vermittelten ihm von da an jedes Velo Solex, das irgendwo zum Verkauf stand.

So entstand eine beeindruckende Sammlung von zwei Dutzend Velo Solex der Jahrgänge 1947 bis 1985, die heute als Museum im Gewölbekeller eines Hotels mitten im Jura, in Waldenburg im Kanton Basel Land, an fünf Tagen in der Woche zu bestaunen sind. Dort hat Roland Blättler, inzwischen Hotelier, seine kostbaren Stücke auf einem großen handgeknüpften Orientteppich aufgestellt und mit allerlei Zubehör und Memorabilien liebevoll ergänzt. Drei Generationen Blättler pflegen das kleine private Museum an der Hauptstraße von Waldenburg. Neben dem heute 75-jährigen Roland, Seniorchef des Hotels zum Löwen, sein Sohn Marcel, heute Chef des gut schweizerisch in "Leue" umbenannten Hotels, und der 25-jährige Enkel Mathias – "der größte Solex-Fan der Familie", wie sein Vater lachend erklärt. Denn Mathias wuchs quasi schraubend in Großvaters Werkstatt auf.

Und es gab etwas zu schrauben, auf einem originalen Solex-Prüfstand nämlich. Die Palette der Blättler-Töffs beginnt beim Baujahr 1947 mit 0,4 PS, einem Rohrrahmen, einem Dynamo am Hinterrad als Lichtmaschine und einem Motor auf dem Vorderrad, der sich noch nicht hochklappen ließ, sondern bei jedem Stopp ausgeschaltet werden musste. Denn der Antrieb erfolgte immer über eine Rolle auf die Lauffläche des Vorderrads. Bis zum Jahrgang 1985 reicht die Sammlung, und aus dem Jahr stammt ein feuerrotes Solex, mit dem die Pariser Feuerwehr in engen zugeparkten Straßen trotz der maximal 30 Stundenkilometer schneller zum Einsatzort kam als mit dem Auto. Allerdings hatten die seltenen roten Stücke viele Liebhaber und wurden immer wieder geklaut.

Ebenfalls in Rot ist das elf Jahre ältere Klapp-Solex "Pli" lackiert, bei dem sich sogar der Motor abnehmen ließ – und dann passte es in den Kofferraum einer Ente. Lediglich Attrappe ist der Motor beim kleinen Kinder-Solex, das es nur als Ausstellungsstück gab und gelegentlich anstelle eines Restaurantschilds aufgehängt wurde. Das seltene Exemplar hat im Solex-Museum den Ehrenplatz auf einem Tisch in der Mitte.

Der wachsenden Konkurrenz von Puch und Zündapp suchte man Mitte der 70er Jahre mit konventionellen Konstruktionen zu begegnen, etwa dem Modell 6000 "Flash" mit Kardanantrieb für die Motorkraft sowie Kurbel und Kette zum Strampeln.

Neben der illustren Fahrzeugparade, die sich gut in Verbindung mit einem Apéro oder Brunch im Hotelrestaurant besuchen lässt, gibt es zahlreiche historische Dokumente – vom ganzseitigen Illustriertenfoto von Blättler senior über eine kleine Schar von Aufsichtskräften der Basler Verkehrsbetriebe auf Dienst-Solex bis zum T-Shirt mit dem Pfarrer auf dem Solex und dem frommen Wunsch "Fahret in Frieden".
von Rolf Müller
am Fr, 26. Mai 2017

Info

Solex-Museum in Waldenburg (CH)

Das Solexmuseum befindet sich im Hotel Leue, Hauptstraße 81,
CH-4437 Waldenburg (BL)

GPS: 07°22'54''E, 47°44'49''N

Öffnungszeiten: täglich

außer Di, Mi und Betriebsferien

Eintritt: frei

Anmeldung empfohlen:
Tel. 0041/61/961 012

Weitere Infos: http://www.leuewaldenburg.ch/solexmuseum.html
 

Autor: bz

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