Spitzentöne wie Raketen
Der "große Knall", den Festivalleiter Markus Muffler bei der Begrüßung zum Eröffnungskonzert des "Stimmen"-Festivals im Lörracher Burghof angekündigt hatte, ließ nicht lange auf sich warten. Schon "Todo Mundo", die erste Nummer von Ivans Lins und der SWR Big Band, macht klar, wohin die Reise geht. Die Trompetensection um den Leadtrompeter Nemanja Jovanovic, der die Spitzentöne wie Raketen über den Arrangements von Ralf Schmid fliegen lässt, sorgt für forcierten Big-Band-Sound, die mit dem Baritonsaxofon verstärkte Basslinie für Bodenhaftung. Die Musik geht in die Beine.
Auch Ivans Lins fängt, am Keyboard stehend, an zu tanzen, so dass er sogar einen Einsatz verpasst. Bandleader Ralf Schmid lässt den gleichen Ton durch die verschiedenen Stimmen jagen, verdichtet den musikalischen Satz und lockert ihn wieder auf oder nimmt auch mal für zwei Takte jeden Druck heraus. "Cornucopia" – Füllhorn – heißt die aktuelle CD. Welch ein Reichtum ist bei dem großartigen, musikalisch höchst anspruchsvollen Konzert zu erleben! Die Klangfarben sind noch bunter als auf der CD, die Konturen der Blech-Einwürfe schärfer. Das verleiht den Liedern von Ivan Lins mehr Plastizität, ohne sie dabei zu überfrachten. Die gedämpften Bläser geben "Pontos Cardeais" den schön verschwommenen Hintergrund, auf dem sich Lins klare Stimme perfekt abzeichnet. Das 1980 komponierte, später von Sarah Vaughan interpretierte "Setembro" wird durch das grandiose Posaunensolo von Marc Godfroid noch eine Spur wärmer im Klang.
Auch musikalisch weniger komplexe Stücke wie "Trem bom" mit seiner einfachen Melodie im Akkordeon (Klaus Wagenleiter), die wie ein Kinderlied klingt, werden durch die SWR Big Band veredelt. Wie ein Chamäleon passt sich dieser exzellente 18-köpfige Klangkörper seiner musikalischen Umgebung an. Seine große Farbpalette ist auch wichtig, weil Ivans Lins’ Stimme diese nicht mehr hat. Gerade in der Höhe wirkt sie im Burghof gelegentlich angestrengt und auch brüchig. Der brasilianische, gerade 70 Jahre alt gewordene Sänger war immer schon mehr Komponist als Interpret. Andere Lieder als seine eigenen hat er nie gesungen. Seine musikalische Erfindungskraft aber gleicht diesem Füllhorn, das er als Titel für das aktuelle Album gewählt hat. Das humpelnde "Carrossel Do Bate-Coxa" mit schweren Nachschlägen in den Bläsern ist ein sogenannter Xote, wie die Musik der schottischen Einwanderer genannt wird. Die für Milton Nascimento geschriebene, ruhig dahinfließende Ballade "Estrela Guia" setzt sich mit dem Leiden der indigenen Bevölkerung Brasiliens auseinander. "Awa Yio" ist eine rockige Nummer, die aber auch ihre afrikanischen Wurzeln nicht verleugnet.
Und wenn Ralf Schmid die Gesangseinwürfe der CD braucht, dann drückt er einfach auf einen Knopf. Überhaupt spielt Elektronisches eine nicht unwichtige Rolle bei dem modernen Sound dieser Big Band. Ein Notebook steht neben dem Dirigentenpult. Es gibt aber auch ganz zarte Höhepunkte in diesem knapp zweistündigen Programm. "Reflexive Love" spielt Altsaxofonist Klaus Graf mit wunderbar weichem, dezent vibriertem Ton, während Klaus Wagenleiter am E-Piano die gewagten Harmonien dazu serviert.
Am Ende beschenkt Ivan Lins das Publikum mit seinem Lied "Madalena", das in der Version von Elis Regina 1969 zum Welthit wurde. Die groovige, an Sambarhythmen orientierte Klavierbegleitung, für die er auch berühmt geworden ist, spielt er selbst. Und wirkt dabei so jugendlich wie ein Surfer an der Copacabana. von Georg Rudiger
Auch Ivans Lins fängt, am Keyboard stehend, an zu tanzen, so dass er sogar einen Einsatz verpasst. Bandleader Ralf Schmid lässt den gleichen Ton durch die verschiedenen Stimmen jagen, verdichtet den musikalischen Satz und lockert ihn wieder auf oder nimmt auch mal für zwei Takte jeden Druck heraus. "Cornucopia" – Füllhorn – heißt die aktuelle CD. Welch ein Reichtum ist bei dem großartigen, musikalisch höchst anspruchsvollen Konzert zu erleben! Die Klangfarben sind noch bunter als auf der CD, die Konturen der Blech-Einwürfe schärfer. Das verleiht den Liedern von Ivan Lins mehr Plastizität, ohne sie dabei zu überfrachten. Die gedämpften Bläser geben "Pontos Cardeais" den schön verschwommenen Hintergrund, auf dem sich Lins klare Stimme perfekt abzeichnet. Das 1980 komponierte, später von Sarah Vaughan interpretierte "Setembro" wird durch das grandiose Posaunensolo von Marc Godfroid noch eine Spur wärmer im Klang.
Auch musikalisch weniger komplexe Stücke wie "Trem bom" mit seiner einfachen Melodie im Akkordeon (Klaus Wagenleiter), die wie ein Kinderlied klingt, werden durch die SWR Big Band veredelt. Wie ein Chamäleon passt sich dieser exzellente 18-köpfige Klangkörper seiner musikalischen Umgebung an. Seine große Farbpalette ist auch wichtig, weil Ivans Lins’ Stimme diese nicht mehr hat. Gerade in der Höhe wirkt sie im Burghof gelegentlich angestrengt und auch brüchig. Der brasilianische, gerade 70 Jahre alt gewordene Sänger war immer schon mehr Komponist als Interpret. Andere Lieder als seine eigenen hat er nie gesungen. Seine musikalische Erfindungskraft aber gleicht diesem Füllhorn, das er als Titel für das aktuelle Album gewählt hat. Das humpelnde "Carrossel Do Bate-Coxa" mit schweren Nachschlägen in den Bläsern ist ein sogenannter Xote, wie die Musik der schottischen Einwanderer genannt wird. Die für Milton Nascimento geschriebene, ruhig dahinfließende Ballade "Estrela Guia" setzt sich mit dem Leiden der indigenen Bevölkerung Brasiliens auseinander. "Awa Yio" ist eine rockige Nummer, die aber auch ihre afrikanischen Wurzeln nicht verleugnet.
Und wenn Ralf Schmid die Gesangseinwürfe der CD braucht, dann drückt er einfach auf einen Knopf. Überhaupt spielt Elektronisches eine nicht unwichtige Rolle bei dem modernen Sound dieser Big Band. Ein Notebook steht neben dem Dirigentenpult. Es gibt aber auch ganz zarte Höhepunkte in diesem knapp zweistündigen Programm. "Reflexive Love" spielt Altsaxofonist Klaus Graf mit wunderbar weichem, dezent vibriertem Ton, während Klaus Wagenleiter am E-Piano die gewagten Harmonien dazu serviert.
Am Ende beschenkt Ivan Lins das Publikum mit seinem Lied "Madalena", das in der Version von Elis Regina 1969 zum Welthit wurde. Die groovige, an Sambarhythmen orientierte Klavierbegleitung, für die er auch berühmt geworden ist, spielt er selbst. Und wirkt dabei so jugendlich wie ein Surfer an der Copacabana. von Georg Rudiger
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Sa, 04. Juli 2015