Interview

Steve Carrell über die Finanz-Satire "The Big Short"

TICKET-INTERVIEW: Schauspieler Steve Carell über ernste Rollen, die Finanzkrise und sein Verhältnis zu Geld.

Bisher kannte man Steve Carell (53) eher als Komiker aus Kinoerfolgen wie "Jungfrau (40), männlich, sucht..." Dass er auch anders kann, bewies er bereits mit seiner Rolle als Millionär im Drama "Foxcatcher", die ihm 2015 sofort eine Oscar-Nominierung einbrachte. Auch in der Finanz-Satire "The Big Short" ist er als Spekulant alles andere als lustig. Markus Tschiedert traf den US-Star in London.

Ticket: Wie haben Sie reagiert, als man Ihnen die Rolle eines Finanzhändlers anbot?
Carell: Ich war ein wenig verwundert, weil das keine Filmrolle ist, die mir gewöhnlich angeboten wird. Gleichzeitig war ich begeistert, denn mit Regisseur Adam McKay hatte ich schon vorher zusammengearbeitet. Er kann sehr lustig sein und hat vor allem die Cleverness, um so einen Stoff umzusetzen.
Ticket: Wobei Sie in Filmen wie "Foxcatcher" auch schon ganz andere Rollen gespielt haben.
Carell: Es ist auch nicht so, dass ich mir keine Dramen zutraue, dennoch war dieser Typ von Mann sehr neu für mich. Ich spiele einen sehr starrsinnigen und getriebenen Menschen, der ziemlich dreist ist. Dann liest man, dass auch noch Brad Pitt, Christian Bale und Ryan Gosling mit von der Partie sind und denkt sich: In diese Liga gehöre ich doch gar nicht. Umso mehr freute ich mich, dass Adam sehr wohl dachte, ich passe da mit hinein.
Ticket: Es geht in "The Big Short" um die Weltwirtschaftskrise, die 2007 ihren Anfang nahm. Wie dachten Sie darüber?
Carell: Erschreckend! Es war jedoch etwas, von dem ich zu jener Zeit wenig Kenntnis genommen hatte. Ich wusste natürlich von der Finanzkrise, durch die viele Menschen Jobs und Häuser verloren. Aber das Verhalten der Banken war für mich dann doch sehr erhellend.
Ticket: Die Mitarbeit an diesem Film öffnete Ihnen also erst die Augen?
Carell: Ich finde, so wird es jedem gehen, der sich den Film ansieht. Man wird nicht nur erstaunt sein, wie es damals dazu kommen konnte, sondern auch, dass seitdem niemand zur Verantwortung gezogen wurde und sich seit 2008 nichts verändert hat. Am Ende glaubt man wirklich, einen Horrorfilm gesehen zu haben. Obwohl unser Film zugleich auch Komödie, Krimi und Tragödie ist. Im Grunde lässt sich "The Big Short" in kein Genre einordnen.
Ticket: Inwieweit ist vor allem Ihren Landsleuten diese Ungerechtigkeit bewusst?
Carell: Ich glaube, die meisten spüren es, sobald sie sich mit Details auseinandersetzen. Das Problem ist nur: Je mehr man glaubt, darüber zu wissen, desto mehr wird einem bewusst, was man darüber nicht weiß. Gewiss haben wir hier nur einen Film gedreht, der auch unterhalten soll, aber sobald die Leute aus dem Kino kommen, werden sie darüber diskutieren. Viele werden sogar verärgert sein. All das ist begrüßenswert.
Ticket: Gehen Sie heute anders mit Ihrem Geld um als noch vor der Finanzkrise?
Carell: Leider nicht! Ich habe keine andere Form von Geldanlage gefunden, was wirklich furchterregend ist. Man sollte doch denken, dass man nach allem, was man weiß, anders vorgehen müsste. Aber nein, ich habe immer noch die gleichen Finanzberater seit eh und je und kann nur das Beste hoffen.
Ticket: Für Ihre Rolle mussten Sie dann gewiss viel recherchieren,
Carell: Es war ein richtiger Lernprozess. Ich traf sogar die echte Person, die ich im Film darstelle.
Ticket: Wie verlief das Treffen mit dem echten Steve Eisman?
Carell: Als ich mich mit ihm traf, sprach ich ihn nicht darauf an, ob er Gefühle wie Schuld oder Wut spürt oder ob er zu einer Selbsterkenntnis gekommen ist. Mir war klar, dass er darüber nicht reden würde. Ich wollte nur ein Gefühl für seine Person bekommen. Es ist generell schwierig, einen echten Menschen respektvoll zu spielen. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was er durchgemacht hat, aber ich kann nicht mit Gewissheit sagen, wodurch er gegangen ist. Bestimmt war sein Handeln sehr konfliktreich für ihn, aber wie genau, weiß ich natürlich nicht.
von tsc
am Fr, 15. Januar 2016

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