Freiburg

"Stumme Augen": Renate Klöppel und ihr neuer Krimi

"Ich bin von Grund auf optimistisch": BZ-Interview mit der Freiburger Autorin Renate Klöppel über ihren neuen Kriminalroman "Stumme Augen".

Sie sind beide Wissenschaftler, und sie leben beide in Freiburg – das ist geblieben. Ansonsten hat sich alles geändert: Nicht mehr der Molekulargenetiker Alexander Kilian, sondern der junge Biologe Manuel Fechner ist die Hauptfigur in Renate Klöppels neuem Kriminalroman "Stumme Augen". Mit Fechner, seiner Freundin Cornelia, deren Tochter Pauline und Kater Herbert, die gerade in den Stadtteil Herdern umziehen, wurde das gesamte Personal ausgewechselt. Eine besondere Rolle spielt diesmal ein schwerstbehinderter Rollstuhlfahrer. Wie es zu all dem kam, darüber sprach Mechthild Blum mit der Autorin.

BZ: Frau Klöppel, mögen Sie Alexander Kilian nicht mehr?
Klöppel: Doch, er ist mir immer noch lieb, dieser weltfremde Professor. Aber gerade das macht ihn auch schwierig: Seine Interaktion mit anderen Menschen ist beschränkt.

BZ: Sie haben sogar den Verlag gewechselt. Warum das?
Klöppel: Während Piper von mir leichte und gefällige Regiokrimis erwartete, die ein sehr breites Publikum ansprechen, beschäftige ich mich bei allem Lokalkolorit lieber mit Themen, über die sich das Nachdenken lohnt. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Ich war auch von Anfang an sehr unglücklich darüber, dass Piper auf dem Titelzusatz "Freiburg.Krimi" bestand und noch unglücklicher war ich zuletzt über den Titel "Blutroter Himmel", weil er für mein Gefühl falsche Erwartungen weckt.

BZ: Was hat Ihnen der Mannheimer Wellhöfer-Verlag zu bieten?
Klöppel: Ganz wesentlich für mich ist, dass ich hier ein Mitspracherecht habe bei Titel und Cover meiner Romane. Im Übrigen war man dort gleich begeistert von meinem Manuskript.

BZ: Ihr Romankonstrukt arbeitet – wie im "Kapuzenmann" – mit dem Einschub innerer Monologe in Kursivschrift. Sie erzeugen damit eine hohe Spannung. Haben Sie vor, diese Element in Zukunft regelmäßig zu nutzen?
Klöppel: Das kann ich so noch nicht sagen. In diesem Roman war es jedenfalls zwingend, auf diese Weise die Eigenperspektive des stummen Zeugen so zu vermitteln.

BZ: Haben Sie diesen Menschen, der kein Wort sprechen und sich auch nicht mit Mundbewegungen oder Gesten verständlich machen kann, aber wie ein Gesunder denkt und fühlt, als kalkuliertes Spannungselement eingebaut?
Klöppel: Auch. Aber ich wollte zugleich auf solche Menschen aufmerksam machen.

BZ: Wie sind Sie darauf gekommen?
Klöppel: Bei meiner früheren Tätigkeit an der Schule für Körperbehinderte in Villingen hatte ich mit diesen Menschen zu tun.

BZ: Sie haben sich für diesen Kriminalroman mit neuen Sachverhalten auseinandersetzen müssen: einem schweren Handicap, Biotechnologie, dem Leben von Patchworkfamilien, dem Erbrecht. Was hat Sie am meisten fasziniert?
Klöppel: Erbrecht natürlich nicht. Und auch das Leben einer Patchworkfamilie war mir nicht so neu. Für mich ist eine wesentliche Motivation für das Schreiben von Kriminalromanen, selbst etwas Neues zu erfahren. Das war jetzt das umfangreiche Feld der Biotechnologie und der Einblick in die Welt eines nicht sprechenden Menschen, der mittels Computer und Internet an der Welt teilhaben und kommunizieren kann wie ein gesunder Mensch, trotz fast völliger Hilflosigkeit in allen Verrichtungen des täglichen Lebens.

BZ: Woher kommt Ihre Vorliebe für kauzige Junggesellen mit prekären Beziehungen – erst Kilian, jetzt Fechner und sein chaotischer Kompagnon Hartung? Und wieso spielen die Frauen dieser Männer nie eine tragende Rolle, warum haben sie hauptsächlich eine Spiegelfunktion?
Klöppel: Normale Menschen interessieren mich literarisch nicht, auch nicht die Norm der Wohlstandsbürger. Was die Frauen angeht, kann ich nur sagen, dass ich mich im Schreibprozess mehr mit dem männlichen Protagonisten identifiziere. Komisch nicht?

BZ: Warum nicht weiblich, kauzig, Wissenschaftlerin?
Klöppel: Hm. Vielleicht äußert sich bei mir so der üblicherweise männlich codierte Part meines Wesens.

BZ: "Das Böse ist immer und überall", sagt Manuel Fechner lakonisch bei der ersten Begegnung mit seinen misstrauischen Nachbarsleuten. Glauben Sie persönlich das auch?
Klöppel: Nein. Ich habe zwar schon den einen oder anderen Überfall erlebt, aber ich bin von Grund auf ein optimistischer Mensch und glaube an das Gute – bis zum Beweis des Gegenteils.

– Renate Klöppel, 66, ist in Hannover geboren und lebt seit 1982 in Freiburg. Sie ist Ärztin, Musikerin und schreibt seit 1999 Belletristik. Inzwischen sind acht Kriminalromane erschienen.

Buch: Renate Klöppel: Stumme Augen. Roman. Wellhöfer Verlag, Mannheim 2015. 280 Seiten, broschiert, 9,95 Euro.
Lesung: 25. März, 20 Uhr, Artjamming, Freiburg, Günterstalstraße. In Kooperation mit der Buchhandlung Schwarz. Karten: Tel. 0761/71806
von blu
am Mi, 18. März 2015 um 00:00 Uhr

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