Gelebte Leidenschaft

Tango- und Bandoneonmuseum Staufen

Schauen, staunen, tanzen: Das Tango- und Bandoneonmuseum in Staufen bringt Schwung in die museale Welt.

Leidenschaft. Eleganz. Erotik. Die Oberkörper des Tanzpaares sind eng aneinandergeschmiegt, ihre Gesichter berühren sich fast. In vollendeter Harmonie führen sie Drehungen, Wiegeschritte aus, ehe die Frau mit einer temperamentvollen Boleo-Schleuderbewegung viel Bein zeigt: Tango ist ein tänzerisches Frage- und Antwortspiel während eines körperlichen Gesprächs, ganz ausgerichtet nach Rhythmus und Melodie des Bandoneons. Und da eines ohne das andere nicht funktioniert, gibt es seit knapp drei Jahren ein Museum, das den Tanz und das Instrument miteinander vereint: das Tango- und Bandoneonmuseum Staufen.

Das Tanzpaar auf dem großen Bildschirm im Museum ist Anschauungsmaterial für den Tango Argentino und reiht sich ein in die lange Liste von Beispielen für verschiedene Tangorichtungen oder Musikproben von Bandoneonorchestern. Neben dem Pärchen auf dem Bildschirm gibt es aber auch "echte" Tangotänzer. Denn zweimal die Woche werden die Ausstellungstische weggerollt mitsamt dem Grammophon und den alten Schellackplatten mit Tangomusik darauf, den edlen Bandoneons und den historischen Post- und Autogrammkarten berühmter Tänzer und Musiker, die Konrad Steinhart und sein Sohn Axel selbst ergattert oder auf den Flohmärkten von Buenos Aires zusammengesucht haben. Flugs verwandelt sich dann der Ausstellungsraum mit den Regalen, in denen die Bandoneons thronen, in einen Tanzsaal, in dem etwa 20 Tangotanzende schwofen. "Das war von Anfang an die Konzeption: Es soll kein herkömmliches Museum sein, sondern einerseits Ausstellungsraum und andererseits Tanzfläche für unsere Veranstaltungen – wir haben wirklich etwas zu bieten", sagt Axel Steinhart, der durch die Ausstellung führt.

Die Sammlung wurde von seinem Vater Konrad in den 70er Jahren gegründet. Als dieser 2009 unerwartet verstarb, hatte Sohn Axel nicht nur "fast 500 Instrumente am Buckel", wie er sagt, sondern auch die Vision, den Traum des Vaters zu Ende zu führen und einen Museumsraum zu finden. Darauf wurde der SWR aufmerksam, drehte einen kurzen Film und den wiederum sah Joachim Baar, Leiter der Jugendmusikschule Südlicher Breisgau, und wusste: Diese Sammlung muss nach Staufen. Daraus entstanden ist ein Verein, der nicht nur das Museum im Kapuzinerhof unterhält, sondern auch Tanzkurse, Milongas und Übungsabende anbietet. "Zusammen mit dem Museum haben wir jetzt schon mehr als 105 Mitglieder in zweieinhalb Jahren – Tango trifft im Moment den Zeitgeist", sagt Vorstand Joachim Baar.

Entwickelt hat sich der Tanz aus argentinischer Folklore, die durch die Eroberer spanische Wurzeln, aber auch afrikanische Einflüsse von den Sklaven hat. "Aus dieser Mischung zusammen mit dem urdeutschen Instrument Bandoneon ist der Tango erst entstanden", erklärt Baar. Der Besucher staunt: Kein Tango, kein urtypischer lateinamerikanischer Tanz ohne deutsches Zutun? "Es gab in den 30er Jahren mehr Bandoneon-Vereine als Fußballclubs. Doch diese deutsche Tradition ist danach gestorben, wurde nur in Buenos Aires am Leben erhalten und
kommt nun wieder zurück – das ist kurios", findet nicht nur Baar.

Viel Herzblut steckt in der Sammlung, jedes Bandoneon hat eine Geschichte: Da ist das winzige Instrument des Clowns Crock, das in eine Mini-Holztruhe, so klein wie eine Schmuckschatulle passt und das Konrad Steinhart in aller Heimlichkeit über einen französischen Vermittler kaufte. Auch bewegende Momente habe es gegeben, erzählt Steinhart: "Ein 80-Jähriger hat das Instrument verkauft, mit dem er groß geworden ist und hatte Abschiedstränen in den Augen. Daneben stand die Ehefrau, der man die Freude darüber anmerkte, dass die Konkurrentin auf dem Weg war, das Haus zu verlassen."

Über seine insgesamt 130 Bandoneons, die ganze Museumsregale bevölkern, kann Steinhart die Geschichte des Instruments rekonstruieren, das von Carlsfeld im Erzgebirge aus seinen Siegeszug in die Herzen der Musiker startete – etwa 30 000 verließen die Werke auch Richtung Lateinamerika. Zwar bauten russische Soldaten am Ende des Zweiten Weltkriegs die Fabrikanlagen ab; zudem wurde das Bandoneon schon davor mehr und mehr vom wesentlich einfacher zu spielenden Akkordeon verdrängt. Aber bereits europäische Einwanderer hatten Mitte des 19. Jahrhunderts das Instrument im Reisegepäck. Sie trugen den charakteristischen Klang, der mit einem Blasebalg erzeugt wird und dem man nachsagt, dass er der menschlichen, melancholischen Singstimme nahekommt, mitten hinein in die Hafenkneipen von Buenos Aires – der Rest ist bekannt.

Und damit der Tango von gestern und heute auch weiterhin vereint bleibt, gibt’s unter anderem zwei Tanzabende die Woche, jeweils dienstags von 19 bis 20 Uhr und donnerstags von 20 bis 21 Uhr – "schnuppern willkommen!", sagt Baar.

Weitere Infos: Tango- und Bandoneonmuseum Staufen, Grunerner Straße 1, 79219 Staufen, geöffnet sonntags von 15 bis 18 Uhr, Eintritt inklusive Führung 8 Euro, ab Gruppen von 8 Personen 5 Euro pro Person. Kontakt: Tel. 07633/82761, https://staufentango.de Führungen: axel.steinhart@staufentango.de
von Anita Fertl
am Fr, 10. März 2017

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