HipHop für Erwachsene in Offenburg

Tanzbare sprachliche Wimmelbilder

Deutscher Rap im Wettbewerb mit der Unübersichtlichkeit: Das badische-berliner Duo Manfred Groove mit Mastermind Sandro de Lorenzo aus Friesenheim kommt nach Offenburg.

Rap hat zum Verfall der Sitten beigetragen. Oder sagen wir lieber gleich zum Niedergang des Abendlands. In der fortschreitenden Proletarisierung der Gesellschaft sind Raubtierkapitalismus und Gangsterrap zwei Seiten einer Medaille, wobei man Ursache und Wirkung nicht verwechseln sollte.

Der Stream of Unconsciousness menschenverachtenden Mülls, der Leuten wie Frauenarzt, Sido, Bushido schon entströmt ist, ist gesellschaftlich hoch toxisch. Doch bevor wir als – der kulturellen Vorherrschaft verlustig gegangenes – dauerbeleidigtes Bildungsbürgertum hilflos über Rap den Stab brechen, sei gesagt: Das HipHop-Duo Manfred Groove kommt in die Stadt.

Dass ausgerechnet ein Friesenheimer, genauer ein Heiligenzeller, die Ehre des deutschen Rap rettet! Sandro de Lorenzo ist einer der Masterminds hinter Manfred Groove. Dieser Berliner Thinktank des Dada-Rap, des reimenden Bildungskreuzrittertums mit Hang zur hemmungslosen Albernheit geht auf Tournee und streift Sandro de Lorenzos alte Heimat. Am Freitag Freiburg und am Samstag Offenburg.

Die Texte von Manfred Groove verschmelzen intelligent Bildungskanon, dummes Geschwätz und HipHop-Pose in sprachlichen Wimmelbildern. Da kommen sie mit elastischem Schwung von der Verlegenheitsfloskel "krass", auf den "Blechtrommel-Günter". Der Manfred mutiert zum Partytier, Tapir und Partizipier. Sie alle fügen sich, vom geschmeidigen Beat geknechtet, schnurrend in die Menagerie. Moderne Mythen wie Herr der Ringe oder Matrix flackern auf neben alten.

Zarathustra poppt auf unweit von Disco-Klo-Sprüchen wie: "Ich tanze, als hätte ich Senf in der Kimme". "Hör’ endlich auf zu denken wie Poldi" ist so ein nebenbei geäußerter kategorischer Imperativ, eine Bitte um mehr Intelligenz und bildungsbasierten Diskurs. Ein lässiger Protest gegen den asozialen Netzwerkstammtisch.

Vieles ist mit virtuos schneller Lippe gerappt, doch ohne erhobenen Zeigefinger, der ja uncool wäre. Dieser Tourette-Rap schöpft aus einem riesigen Fundus an literarisch-philosophischen Lesefrüchten, Latrinenparolen wie auch der Kenntnis der massenkulturrelevanten Highlights. Manfred Groove nennt das: HipHop für Erwachsene.

Bei so viel Schaffens-Furor suchen sich de Lorenzo und Kollegen gerne sportliche Herausforderungen wie den 1000 Zeilen-Rap-Monolog oder: Ein komplettes Trap-Album in 24 Stunden produzieren. Das heißt: Ein Album mit zwölf Nummern schreiben, komponieren, produzieren, aufnehmen, mixen, mastern sowie zwei Musikvideos dazu drehen und schneiden. Zwei Rapper, zwei Producer, ein Video-Artist sind damit bis zur Erschöpfung beschäftigt – das Ganze dokumentiert, damit nicht geschummelt wird, in einem 24-stündigen Livestream. Warum man’s macht? Weil man’s kann.

Aber auch deshalb: Der Kunsthistoriker und -theoretiker Heinrich Wölfflin (1864 bis 1945) unterscheidet in seinem Hauptwerk "Kunsthistorische Grundbegriffe" Einheit und Vielheit der Form. Am Beispiel von Kunst der Renaissance und des Barock zeigt er wie eine Zeit mit einer klaren Idee wie die Renaissance und ihr Humanismus in ihrer Kunst klare und große Formen hervorbringt.

Und: Wie eine Zeit wie der Barock mit seiner Desorientierung durch die Religionsspaltung Unübersichtlichkeit und Gewimmel in der Kunst zur Folge hat. Das Duo Manfred Groove mit seinen tanzbaren sprachlichen Wimmelbildern sagt also viel über unsere Gegenwart.

Manfred Groove mit Support Bottom Lip sind am Samstag, 21. Oktober, 21 Uhr, im VIA in der Franz-Volk-Straße 8 a, Offenburg, Einlass 20 Uhr. Bereits am Freitag, 20. Oktober, ab 20 Uhr sind Manfred Groove Support für Marz in der Mensabar, Rempartstraße 18
von Ralf Burgmaier
am Mi, 18. Oktober 2017 um 19:18 Uhr

Badens beste Erlebnisse