Terrorist in eigener Sache

Das Freiburger Theater im Marienbad bringt Kleists "Michael Kohlhaas" auf die Bühne.

"Michael Kohlhaas" nicht im Kleist’schen Original, aber original in seinen Ambivalenzen wird ab dem 4. Mai im Theater im Marienbad zu sehen sein. Denn dann ist Premiere von Matthias Kaschigs mittlerweile dritter Inszenierung für das Freiburger Kinder- und Jugendtheater.

Man kann in Michael Kohlhaas viel sehen: einen Menschen des Übergangs zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, einen Vorläufer des Wutbürgers oder gar der Gelbwesten. Matthias Kaschig, der die Novelle auf die Bühne des Theater im Marienbad bringen wird, rudert zurück. Er finde es schwierig, sagt der 1976 in Freiburg geborene Kaschig, über den Gegenwartsbezug des Textes Aussagen zu machen, denn Kleist sei einfach zu gefährlich. Es ist bereits die dritte Inszenierung des Regisseurs an diesem Haus.

Seine Beziehung zum Freiburger Kinder- und Jugendtheater begann mit einem anarchischen Sommer, in dem dessen 2008 gestorbener damaliger Leiter Dieter Kümmel Kaschig und seinen Schauspielerfreunden das Haus zur Verfügung gestellt hatte. Seitdem hat Kaschig ziemlich viel gearbeitet, 2010 wurde er von der Fachzeitschrift Theater heute zum besten Nachwuchsregisseur des Jahres gekürt. Sein "Michael Kohlhaas" folgt auf "Rosa und Blanca" (2014) und "Nachtgeknister" (2015). Zwischen 2015 und 2017 war Kaschig Hausregisseur am Deutschen Theater in Göttingen.

Nun also Heinrich von Kleist – und auch wieder nicht. Denn die Novelle um den Pferdehändler, dem erst ein Unrecht geschieht und der dann auf rigorose Weise sein Recht sucht, wird in einer Fassung von Franziska Steiof gespielt. Es habe sich nach Erzähltheater angefühlt, wie es typisch für das Theater im Marienbad sei, sagt die künstlerische Leiterin des Hauses und Dramaturgin dieser Produktion Sonja Karadza. Nichtsdestotrotz bleibe Michael Kohlhaas eine ambivalente Figur, macht Matthias Kaschig deutlich. Er sei eben nicht nur "ein Terrorist in eigener Sache, sondern auch als altruistischer Mensch vorstellbar".

Die Konfrontation von Kohlhaas, gespielt von Christoph Müller, mit der Welt wird von den beiden Schauspielerinnen Lisa Bräuniger und Daniela Mohr getragen, die sich die restlichen Rollen teilen. Diese Engführung sei ein dramatisches Mittel gewesen, Michael Kohlhaas auch als Getriebenen zu zeigen, dem all das passiere, erläutert Karadza. Und Kaschig ergänzt, dass die Nackenschläge, die auf den Rosshändler niedergehen, einerseits sehr ungerecht seien, aber andererseits doch oft auch komisch.

Angesichts des Bühnenbilds, das eine Richtstätte mit mehreren Galgen darstellt, ahnt man, dass es in dieser Inszenierung um Ordnungen und um ihre Wiederherstellung geht. Und nicht minder um die Frage nach der Gewalt: wann diese ein probates Mittel sein kann, Gesellschaften zu festigen oder neue zu bilden. Michael Kohlhaas ist in diesem Sinne ein Konservativer, für den sich mit seinem eigenen Tod wieder alles zurechtrückt.

Und hier möchte Matthias Kaschig dann doch noch einen Bezug zur Gegenwart herstellen, insofern viele Menschen derzeit ihre Sehnsucht nach Heroismus nicht innerhalb der Gesellschaft stillen könnten. Michael Kohlhaas sei nicht frei davon, zum Volkstribun zu werden, jedenfalls missfalle ihm diese Vorstellung keineswegs, so der Regisseur. Doch bei aller Ambivalenz der Figur sei wichtig, dass auf der Bühne etwas passiere, das uns alle angehe.

Termin: Premiere: 4. Mai, 20 Uhr, Theater im Marienbad, Freiburg, Marien-
straße 4. Weitere Vorstellungen bis zum 17. Mai. http://www.marienbad.org
von Annette Hoffmann
am Fr, 03. Mai 2019

Badens beste Erlebnisse