Überleben im Werk

Das Freiburger Cargo-Theater widmet sich der Malerin Charlotte Salomon.

Inspiriert war sie schon lange. Als Margit Wierer vor Jahren im Jüdischen Museum Berlin eine Ausstellung über Charlotte Salomon besuchte, kam ihr die Idee, ein Stück über die Berliner Künstlerin zu inszenieren. Was sich damals nicht umsetzen ließ, hat das Cargo-Theater nun verwirklicht: Am 27. September findet die Premiere von "Fragen an Charlotte" statt.

"Eigentlich ist der Fokus auf den Bildern, die auf Stellagen projiziert werden. Und drum herum passiert dann der Rest: Schauspiel, Text, Musik", beschreibt Wierer das genreübergreifende Konzept des Stücks, bei dem sie Regie führt. "Fragen an Charlotte" befasst sich mit Charlotte Salomons Leben oder, noch genauer, mit ihrem Sammelband "Leben? Oder Theater?", der zwischen 1940 und 1942 entsteht, als Charlotte 23 ist. Es wird ihr Lebenswerk. 1325 Gemälde, in denen Farbe eine zentrale Rolle spielt – vor allem gelb, rot und blau. Sie arbeitet mit comicartigen Sprechblasen und beschreibt, wo sie sich befindet, wenn sie malt, welche Musik sie dazu gerade im Kopf hat.

"Das Genreübergreifende steckt in ihrem Werk", erklärt die Schauspielerin Carla Wierer die Herangehensweise in "Fragen an Charlotte", Musik, Schauspiel und Gemälde zu verbinden. Das Wesentliche der Inszenierung verrät der Titel: Fragen zu stellen, sich mit der Künstlerin auseinanderzusetzen. Auch Musik ist ein Element: Carla Wierer produzierte elektronische Lieder, indem sie Texte aus Salomons Werk vertonte. Auch der Gesang der vier mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler ist eine Adaption an "Leben? Und Theater?", in dem Charlotte Salomon vielfältige Musik von Klassik über Volkslieder bis hin zu französischen Chansons notierte.

Charlotte Salomon, die in Berlin aufwächst und dort die heutige Universität der Künste besucht, verlässt das nationalsozialistische Deutschland mit 22 Jahren und zieht ins französische Exil zu ihren Großeltern. Ihr Leben ist von antisemitischer Gewalt geprägt und von innerfamiliären Suiziden: Ihre Mutter, ihre Tante und ihre Großmutter nahmen sich das Leben. Nachdem ihr Großvater und sie für kurze Zeit im Lager Gurs interniert waren, sieht sich Salomon 1940 in einer tiefen Lebenskrise, aus der heraus "Leben? Oder Theater?" entsteht.

In dem Werk verarbeitet sie ihr Leben, das nicht außerhalb des Kontexts der Judenverfolgung denkbar ist. Sie verleiht aber auch den generellen existenzielle Fragen einer jungen Frau stark Ausdruck – Fragen nach Identität, Heimat und Zugehörigkeit. Diese Fragen möchte das Cargo-Theater aufgreifen. Sie seien gut auf junge Menschen übertragbar, betont Margit Wierer – und fügt hinzu, dass es wichtig sei, sie als eine Künstlerin zu betrachten, von der sie vermutet, dass sie wahrscheinlich eine große Karriere gemacht hätte.

Charlotte Salomon starb im Alter von 26 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. "Ihr Werk war eine krasse Selbstermächtigung. Charlotte Salomon hat den Holocaust nicht überlebt. Aber sie hat durch ihr Werk überlebt, indem sie wirklich etwas Besonderes geschaffen hat. Ein unglaubliches Werk", meint Carla Wierer. Diesem Werk will "Fragen an Charlotte" ein Denkmal setzen.

Termine: Freiburg, "Fragen an Charlotte", Südufer, Premiere: Fr, 27. Sept., 19 Uhr. Weitere Aufführungen: 28. Sept., 20 Uhr, 29. Sept., 19 Uhr, 30. Sept., 1./2. Oktober, 11 Uhr
von Marisa Haug
am Fr, 27. September 2019

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