"Was hat überhaupt Bedeutung?"

TICKET-INTERVIEW: Jonas Dassler über seine Rolle in "Lomo" und die Suche nach der eigenen Identität.

Mit gerade mal 22 Jahren darf sich Jonas Dassler bereits auf eine große Film- und Theaterkarriere freuen. Nach seinem Studium an der Ernst Busch-Schauspielschule in Berlin erhielt er sofort ein Engagement am Maxim-Gorki-Theater. Auch vor der Filmkamera macht er sich prächtig. In "Das schweigende Klassenzimmer" überzeugt er als DDR-Schüler. Bevor er demnächst in Florian Henckel von Donnersmarcks "Werk ohne Autor" zu sehen ist, spielt er in "Lomo – The Language of Many Others" einen unglücklich verliebten Blogger. Markus Tschiedert traf Dassler zum Interview.

Ticket: In "Lomo – The Language Of Many Others" spielen Sie einen Blogger. Wie intensiv nutzen Sie die sozialen Netzwerke?
Dassler: Gar nicht! Ich nutze weder Facebook, Instagram, Twitter, Snapchat oder was es sonst noch so gibt. Ich habe einfach keine Muße, diese Portale zu füttern.
Ticket: Viele nutzen solche Netzwerke als Möglichkeit der Selbstdarstellung. Kann es sein, dass Sie der Beruf des Schauspielers dahingehend schon befriedigt?
Dassler: Das kann sein. Ich habe genug Output und unterhalte mich gerne mit Menschen. Ich fühle mich auch nicht als Außenseiter, weil viele meiner Freunde damit auch nicht so viel am Hut haben. Manche sind anfangs ganz begeistert von Instagram, Facebook & Co., finden das dann aber auch schnell lästig.
Ticket: Da stellt sich natürlich die Frage, wie Sie sich dann auf die Rolle in "Lomo" vorbereitet haben?
Dassler: Bei Karl, wie meine Filmfigur heißt, ist dieser Blog, mit dem er alles ins Netz stellt, nur Mittel zum Zweck. Deshalb musste ich mich jetzt nicht monatelang im Internet aufhalten, weil ich irgendwie immer wusste, warum er das macht. Sein Handeln kommt ja aus einer Sehnsucht und einer Suche, das Leben zu objektivieren, zu abstrahieren und Leute zu finden, die das ähnlich sehen.
Ticket: Für Sie nachvollziehbar?
Dassler: Ja, Karl betreibt das wie so eine Art Kunst, wenn er Bilder aus dem Netz zieht und damit sagt: Schaut mal, es ist überall das Gleiche. Wie kommt trotzdem der Gedanke, dass wir eine Bedeutung haben? Er will es verstehen, und das Netz ist für ihn das schnellste Mittel, möglichst viele Leute zu erreichen. Das paart sich natürlich auch mit der Selbstdarstellung.
Ticket: Inwiefern?
Dassler: Wenn man auf etwas aufmerksam machen will, braucht man auch eine Bedeutung. Es gibt dieses Jugendbuch "Nichts: Was im Leben wichtig ist", in dem es diesen Jungen gibt, der sich auf einen Pflaumenbaum setzt und sagt: "Nichts hat eine Bedeutung." Damit hat er die ganze Klasse auseinandergebracht, und damit gibt er sich selbst eine Bedeutung. Das ist bei Karl auch der Fall.
Ticket: Womöglich ist es die Suche nach Identität.
Dassler: Genau, deshalb konnte ich das sehr gut nachvollziehen. Ich glaube, die Suche nach Identität beschäftigt uns aber immer. Was hat überhaupt Bedeutung und wer bin ich in diesem ganzen System?
Ticket: Karl lässt sich von seinen Followern schließlich sogar fremdsteuern.
Dassler: Ich fand das sehr befreiend für einen Moment. In der Szene, in der ich eine befahrende Autobahn überquere, hatte ich zwar einen Knopf im Ohr, aber ich konnte tatsächlich nichts hören, als die Autos auf mich zukamen. Das waren zwar Stuntfahrer, aber wir mussten genau, wie vorher abgesprochen, laufen, damit es funktioniert. Das heißt, ich habe komplett die Kontrolle abgegeben und vertraute darauf, dass die Stuntfahrer das schon richtig machen.
Ticket: Karl macht das letztlich alles aus enttäuschter Liebe, das ist ein sehr universelles Thema. Ist Ihnen das auch schon mal passiert?
Dassler: Nein, mir selber ist das noch nicht passiert. Aber wenn ich eine Rolle spiele, versuche ich mich, in die Situation hineinzudenken. Ich denke dann nicht mehr über meine Logik nach und wie ich handeln würde, sondern ich versuche dann, über die Logik der Figur nachzudenken. Dementsprechend kann ich das natürlich nachvollziehen.
von tsc
am Fr, 13. Juli 2018

Info

Lomo

Regie: Julia Langhof
Mit Jonas Dassler, Lucie Hollmann, Eva Nürnberg, Marie-Lou Sellem, Peter Jordan u. a., frei ab 12 Jahren.

Die Story
Blogger Karl (Jonas Dassler) ist mit seinem Leben unzufrieden. Dann verliebt er sich in Doro (Lucie Hollmann), wird aber von ihr enttäuscht. Daraufhin fordert er seine Follower auf, ihm sein Leben zu diktieren...  

Autor: bz

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