Zurück in die Zivilisation
Wenn der härteste Hund von Hollywood auf dem Regiestuhl Platz nimmt, dann erzählt er von sperrigen Helden. In seinem ersten Kinofilm, "Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" (2005), war das der alte, verwitterte Sheriff, der den Tod eines Freundes unerbittlich rächte, an der mexikanischen Grenze, wo das Leben eines Indios sonst nicht viel zählt. Auch im neuen Film von und mit Tommy Lee Jones geht es um energischen Widerstand gegen harsche, ungerechte Bedingungen.
Nun würde man den alten Haudegen, geboren 1946 in San Saba, Texas, vielleicht nicht für den ersten Verfechter der Emanzipation halten. Trotzdem erzählt er jetzt auf der Basis des 1988 erschienenen Romans von Glendon Swarthout (von dem unter anderem auch die Vorlage zu Don Siegels "The Shootist" stammt) vom Preis, den die Pionieranstrengungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts gerade den Frauen abverlangt haben. Entweder macht sie das so unbeugsam hart und spröde wie Mary Bee Cuddy (gespielt von Hilary Swank) oder so verrückt wie die drei abgehärmt überspannten Frauen (Miranda Otto, Sonja Richter und Meryl Streeps Tochter Grace Gummer), die in einem bizarren Treck im schweren Viehwaggon quer durch das Land nach Osten gebracht werden müssen, von der Frontier zurück in die Zivilisation, in die Obhut einer Methodistenfamilie.
Mary Bee bewirtschaftet ihre Farm alleine, am Anfang sieht man, wie sie mühselig den Pflug durch ihr Feld zieht. Mit 31 ist sie noch unverheiratet, weshalb sie einem Mann auch mal einen Heiratsantrag unterbreitet, der eher wie eine geschäftliche Fusion anmutet und ihn augenblicklich in die Flucht treibt. Entfernt erinnert diese tapfer entschlossene Frau an Michelle Williams’ Emily Tetherow im Western "Meek’s Cutoff" (2011) von Kelly Reichardt, auch wenn die eine zwar sehr bestimmte, aber auch sehr viel leisere Art hatte, ihre Ideen durchzusetzen. Da die Männer sich um den Abtransport ihrer nicht mehr zurechnungsfähigen Frauen drücken, übernimmt Mary Bee die Aufgabe aus christlichem Pflichtbewusstsein.
Unterwegs pflückt sie den alten George Briggs (Tommy Lee Jones) von einem Baum – die Männer des Ortes haben ihn mit einem Strick um den Hals auf sein Pferd gesetzt, weil er sich eine verlassene Farm unrechtmäßig unter den Nagel gerissen hat. So wird er von Mary Bee als Begleitung zwangsverpflichtet, und es gehört zu den Qualitäten des Films, dass sich diese beiden wortkargen No-Nonsense-Figuren der Mechanik des Buddymovie entziehen. Stattdessen erwächst aus ihren ähnlichen Temperamenten und der gleichen pragmatischen Herangehensweise ans Leben eine unterschwellige Verbundenheit, in der bisweilen, in kurzen komischen Momenten, ein entferntes Echo von Spencer Tracy und Katherine Hepburn nachklingt.
Den Stationen des Trecks entsprechend ist "The Homesman" sehr viel linearer erzählt als "Three Burials" und insgesamt auch nicht ganz so wuchtig und stark. "Babel"-Kameramann Rodrigo Prieto macht die widerspenstige Landschaft zum dritten Hauptdarsteller und gibt der kargen Prärie dabei immer mal wieder den silbrigen Glanz alter Daguerrotypien. Der Soundtrack von Marco Beltrami unterstreicht die Anspannung der Reisenden, die da gen Osten unterwegs sind. So wie in Thomas Arslans "Gold" speist sich die Authentizität auch hier aus Fotos und Berichten des 19. Jahrhunderts.
Man spürt die Hingabe, mit der Tommy Lee Jones sein Land ins Szene setzt, aber auch den wachsamen Blick für die historischen Verfehlungen der Bewohner. Statt den alten Mythen nachzujagen, beleuchtet er die dunklen Seiten der amerikanischen Geschichte, in einem düsteren Amerika, in dem es keine echte Versöhnung, keine wirkliche Zukunft gibt. "Es gibt unglaublich viele schlechte Western", sagt Tommy Lee Jones, "Western sind zu einem Label geworden, zu einer Kategorie, unter die jeder Film fällt, in dem es Pferde gibt." Tatsächlich konnte dieser Film überhaupt erst mit Unterstützung von Luc Bessons EuropaCorp finanziert werden.
– "The Homesman" von Tommy Lee Jones läuft in Freiburg und Basel. (Ab 16 Jahren) von Anke Sterneborg
Nun würde man den alten Haudegen, geboren 1946 in San Saba, Texas, vielleicht nicht für den ersten Verfechter der Emanzipation halten. Trotzdem erzählt er jetzt auf der Basis des 1988 erschienenen Romans von Glendon Swarthout (von dem unter anderem auch die Vorlage zu Don Siegels "The Shootist" stammt) vom Preis, den die Pionieranstrengungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts gerade den Frauen abverlangt haben. Entweder macht sie das so unbeugsam hart und spröde wie Mary Bee Cuddy (gespielt von Hilary Swank) oder so verrückt wie die drei abgehärmt überspannten Frauen (Miranda Otto, Sonja Richter und Meryl Streeps Tochter Grace Gummer), die in einem bizarren Treck im schweren Viehwaggon quer durch das Land nach Osten gebracht werden müssen, von der Frontier zurück in die Zivilisation, in die Obhut einer Methodistenfamilie.
Mary Bee bewirtschaftet ihre Farm alleine, am Anfang sieht man, wie sie mühselig den Pflug durch ihr Feld zieht. Mit 31 ist sie noch unverheiratet, weshalb sie einem Mann auch mal einen Heiratsantrag unterbreitet, der eher wie eine geschäftliche Fusion anmutet und ihn augenblicklich in die Flucht treibt. Entfernt erinnert diese tapfer entschlossene Frau an Michelle Williams’ Emily Tetherow im Western "Meek’s Cutoff" (2011) von Kelly Reichardt, auch wenn die eine zwar sehr bestimmte, aber auch sehr viel leisere Art hatte, ihre Ideen durchzusetzen. Da die Männer sich um den Abtransport ihrer nicht mehr zurechnungsfähigen Frauen drücken, übernimmt Mary Bee die Aufgabe aus christlichem Pflichtbewusstsein.
Ein düsteres Amerika ohne wirkliche Zukunft
Unterwegs pflückt sie den alten George Briggs (Tommy Lee Jones) von einem Baum – die Männer des Ortes haben ihn mit einem Strick um den Hals auf sein Pferd gesetzt, weil er sich eine verlassene Farm unrechtmäßig unter den Nagel gerissen hat. So wird er von Mary Bee als Begleitung zwangsverpflichtet, und es gehört zu den Qualitäten des Films, dass sich diese beiden wortkargen No-Nonsense-Figuren der Mechanik des Buddymovie entziehen. Stattdessen erwächst aus ihren ähnlichen Temperamenten und der gleichen pragmatischen Herangehensweise ans Leben eine unterschwellige Verbundenheit, in der bisweilen, in kurzen komischen Momenten, ein entferntes Echo von Spencer Tracy und Katherine Hepburn nachklingt.
Den Stationen des Trecks entsprechend ist "The Homesman" sehr viel linearer erzählt als "Three Burials" und insgesamt auch nicht ganz so wuchtig und stark. "Babel"-Kameramann Rodrigo Prieto macht die widerspenstige Landschaft zum dritten Hauptdarsteller und gibt der kargen Prärie dabei immer mal wieder den silbrigen Glanz alter Daguerrotypien. Der Soundtrack von Marco Beltrami unterstreicht die Anspannung der Reisenden, die da gen Osten unterwegs sind. So wie in Thomas Arslans "Gold" speist sich die Authentizität auch hier aus Fotos und Berichten des 19. Jahrhunderts.
Man spürt die Hingabe, mit der Tommy Lee Jones sein Land ins Szene setzt, aber auch den wachsamen Blick für die historischen Verfehlungen der Bewohner. Statt den alten Mythen nachzujagen, beleuchtet er die dunklen Seiten der amerikanischen Geschichte, in einem düsteren Amerika, in dem es keine echte Versöhnung, keine wirkliche Zukunft gibt. "Es gibt unglaublich viele schlechte Western", sagt Tommy Lee Jones, "Western sind zu einem Label geworden, zu einer Kategorie, unter die jeder Film fällt, in dem es Pferde gibt." Tatsächlich konnte dieser Film überhaupt erst mit Unterstützung von Luc Bessons EuropaCorp finanziert werden.
– "The Homesman" von Tommy Lee Jones läuft in Freiburg und Basel. (Ab 16 Jahren) von Anke Sterneborg
am
Do, 18. Dezember 2014