"Alles ist vergänglich"
24-mal wurde Woody Allen für den Oscar nominiert, viermal hat er ihn bekommen. Damit gehört er – einst nur als Komiker wahrgenommen – zu den einflussreichsten Filmemachern des US-Kinos. Er ist sich dabei stets treu geblieben – einmal im Jahr gibt es einen neuen Woody-Allen-Film – und das in seinem Alter. Am 1. Dezember feiert der New Yorker seinen 79. Geburtstag und entführt seine Fans mit "Magic in the Moonlight" in die Welt der Zauberer und Scharlatane Anfang der 20er Jahre. Markus Tschiedert traf das Filmgenie in Paris.
Ticket: Mr. Allen, wie lange hatten Sie schon die Idee, einen Film über Zauberei drehen zu wollen?
Woody Allen: Als kleiner Junge stand ich tagelang vorm Spiegel und versuchte mir Zaubertricks beizubringen. Ich wurde richtig obsessiv und las alles darüber. So erfuhr ich auch, dass Anfang des 20. Jahrhunderts viele Geistheiler unterwegs waren. In Amerika und Europa zogen sie den Leuten das Geld aus der Tasche, indem sie vorgaben, sie könnten mit Toten reden oder in die Zukunft sehen. Sogar Wissenschaftler berühmter Universitäten legten sie rein – aber nicht Magier.
Ticket: Einer dieser Magier hat Sie besonders fasziniert...
Allen: Ja, der Zauberkünstler Houdini, der es sich damals zur Aufgabe machte, solchen Schwindel aufzudecken. Ich dachte, wenn man so einen großen Meister auf eine kleine, billige Betrügerin treffen lassen würde, könnte auf der Leinwand eine besondere Chemie entstehen.
Ticket: War Colin Firth Ihre erste Wahl für den Magier?
Allen: Wir riefen ihn tatsächlich als ersten an. Er war gerade mit einem anderen Film beschäftigt, aber in letzter Sekunde klappte es dann doch noch. Und Emma Stone erschien mir perfekt für den Gegenpart.
Ticket: Wie kamen Sie dann auf Südfrankreich als Schauplatz?
Allen: Dort herrscht eine schöne Atmosphäre, und es war ein Ort, an dem reiche Leute ihr Geld an solche Geistheiler verloren. Im Film sagt Colin zu Emma, er wünsche sich so sehr, falsch zu liegen. So erging es auch Houdini. Sein Leben lang versuchte er herauszufinden, ob es nicht doch eine Welt der Geister geben könnte. Es ist ihm nie gelungen, aber er versprach, dass er nach seinem Tod alles versuchen werde, Kontakt zu den Lebenden aufzunehmen. Seine Anhänger warten wohl bis heute vergebens auf ein Signal von ihm aus dem Totenreich.
Ticket: Warum sind Sie eigentlich nicht Zauberkünstler geworden – oder ist das Filmen für Sie Magie?
Allen: Ich sah meine Zukunft nie als Zauberer auf der Bühne. Ich fing mit 16 an, Gags zu schreiben, wurde früh fürs Fernsehen entdeckt und ging diesen Weg dann weiter. Aber ich sehe schon das gleiche Prinzip beim Filmemachen. Man macht auch nichts anderes, als eine Illusion für die Zuschauer zu schaffen.
Ticket: Interessieren Sie sich fürs Übernatürliche? Haben Sie schon mal an einer Séance teilgenommen?
Allen: Nie! Meine Weltsicht stützt sich eher auf Nietzsche und Freud. Klar gibt es immer wieder Leute, die dich vom Gegenteil überzeugen wollen. Ich saß mal mit dem Baptistenpastor Billy Graham vor der Fernsehkamera, und wir argumentierten das hin und her. Dann sagte er zu mir: "Selbst wenn ich falsch liege und es nach meinem Tod nichts gibt, habe ich besser als Sie gelebt, weil ich an etwas glaube, worauf ich mich freuen kann."
Ticket: Was war Ihre Antwort?
Allen: Dass er irgendwie recht hat, und das ist das Traurige. Wer nicht glaubt, lebt ohne Hoffnung und Bedeutung. Man hat nicht die Chance, an Gott oder ein Leben danach zu glauben. Ich sehe das Leben so real wie möglich – und damit auch oft die Trostlosigkeit. Man wird ohne Grund geboren und stirbt auch wieder genauso. Alles ist vergänglich.
Ticket: Ist Humor für Sie der beste Weg, das Leben zu ertragen?
Allen: Ich glaube nicht, dass es den besten Weg gibt. Witze erzählt man, weil man nervös ist. Man kann die Dinge nicht aufhalten – egal, was man tut. Selbst wenn man stets sein Bestes versucht, bleiben doch nur die kleinen Momente, in denen man ins Kino geht, sich Sinfonien von Mozart anhört oder sich einfach nur verliebt. Nichtsdestotrotz wird auch das alles irgendwann verschwunden sein, und wenn man als Künstler glaubt, zumindest mit seinem Werk überleben zu können, ist selbst das nur eine Illusion. von tsc
Woody Allen: Als kleiner Junge stand ich tagelang vorm Spiegel und versuchte mir Zaubertricks beizubringen. Ich wurde richtig obsessiv und las alles darüber. So erfuhr ich auch, dass Anfang des 20. Jahrhunderts viele Geistheiler unterwegs waren. In Amerika und Europa zogen sie den Leuten das Geld aus der Tasche, indem sie vorgaben, sie könnten mit Toten reden oder in die Zukunft sehen. Sogar Wissenschaftler berühmter Universitäten legten sie rein – aber nicht Magier.
Ticket: Einer dieser Magier hat Sie besonders fasziniert...
Allen: Ja, der Zauberkünstler Houdini, der es sich damals zur Aufgabe machte, solchen Schwindel aufzudecken. Ich dachte, wenn man so einen großen Meister auf eine kleine, billige Betrügerin treffen lassen würde, könnte auf der Leinwand eine besondere Chemie entstehen.
Ticket: War Colin Firth Ihre erste Wahl für den Magier?
Allen: Wir riefen ihn tatsächlich als ersten an. Er war gerade mit einem anderen Film beschäftigt, aber in letzter Sekunde klappte es dann doch noch. Und Emma Stone erschien mir perfekt für den Gegenpart.
Ticket: Wie kamen Sie dann auf Südfrankreich als Schauplatz?
Allen: Dort herrscht eine schöne Atmosphäre, und es war ein Ort, an dem reiche Leute ihr Geld an solche Geistheiler verloren. Im Film sagt Colin zu Emma, er wünsche sich so sehr, falsch zu liegen. So erging es auch Houdini. Sein Leben lang versuchte er herauszufinden, ob es nicht doch eine Welt der Geister geben könnte. Es ist ihm nie gelungen, aber er versprach, dass er nach seinem Tod alles versuchen werde, Kontakt zu den Lebenden aufzunehmen. Seine Anhänger warten wohl bis heute vergebens auf ein Signal von ihm aus dem Totenreich.
Ticket: Warum sind Sie eigentlich nicht Zauberkünstler geworden – oder ist das Filmen für Sie Magie?
Allen: Ich sah meine Zukunft nie als Zauberer auf der Bühne. Ich fing mit 16 an, Gags zu schreiben, wurde früh fürs Fernsehen entdeckt und ging diesen Weg dann weiter. Aber ich sehe schon das gleiche Prinzip beim Filmemachen. Man macht auch nichts anderes, als eine Illusion für die Zuschauer zu schaffen.
Ticket: Interessieren Sie sich fürs Übernatürliche? Haben Sie schon mal an einer Séance teilgenommen?
Allen: Nie! Meine Weltsicht stützt sich eher auf Nietzsche und Freud. Klar gibt es immer wieder Leute, die dich vom Gegenteil überzeugen wollen. Ich saß mal mit dem Baptistenpastor Billy Graham vor der Fernsehkamera, und wir argumentierten das hin und her. Dann sagte er zu mir: "Selbst wenn ich falsch liege und es nach meinem Tod nichts gibt, habe ich besser als Sie gelebt, weil ich an etwas glaube, worauf ich mich freuen kann."
Ticket: Was war Ihre Antwort?
Allen: Dass er irgendwie recht hat, und das ist das Traurige. Wer nicht glaubt, lebt ohne Hoffnung und Bedeutung. Man hat nicht die Chance, an Gott oder ein Leben danach zu glauben. Ich sehe das Leben so real wie möglich – und damit auch oft die Trostlosigkeit. Man wird ohne Grund geboren und stirbt auch wieder genauso. Alles ist vergänglich.
Ticket: Ist Humor für Sie der beste Weg, das Leben zu ertragen?
Allen: Ich glaube nicht, dass es den besten Weg gibt. Witze erzählt man, weil man nervös ist. Man kann die Dinge nicht aufhalten – egal, was man tut. Selbst wenn man stets sein Bestes versucht, bleiben doch nur die kleinen Momente, in denen man ins Kino geht, sich Sinfonien von Mozart anhört oder sich einfach nur verliebt. Nichtsdestotrotz wird auch das alles irgendwann verschwunden sein, und wenn man als Künstler glaubt, zumindest mit seinem Werk überleben zu können, ist selbst das nur eine Illusion. von tsc
am
Mi, 03. Dezember 2014
MAGIC IN THE MOONLIGHT
Regie: Woody Allen
Mit Colin Firth, Emma Stone, Marcia Gay Harden, Simon McBurney u. a.
98 Min., ohne Altersbeschränkung
Die Story
Stanley Crawford (Colin Firth) steht abends auf der Bühne, um sein Publikum als Chinese mit spektakulären Zaubertricks zu beeindrucken. Nur sein Agent kennt seine wahre Identität und bittet ihn, eine angebliche Hellseherin zu überführen. Ihr Name: Sophie Baker (Emma Stone). Stanley lässt sich darauf ein, kann aber nicht herausfinden, wie sie die Leute hinters Licht führt. Schlimmer noch: Er verliebt sich in sie...
Autor: bz