Mehr als Gebrauchskunst

Eine Ausstellung im Keramikmuseum in Staufen zeigt Werke von Picasso und Kandinsky

Kunstkeramik ist abstrakt und erfordert Nachdenken. Das zeigt die Jahresausstellung im Keramikmuseum in Staufen. Zu sehen sind Werke von Picasso und russischen Avantgardisten.

Keramik – das ist doch das Geschirr aus Großmutters Küchenschrank. So lautet ein weit verbreitetes Vorurteil. Noch weiter in seinem Urteil geht Walter Grasskamp. Die Keramik gehöre zusammen mit Stricken, Häkeln und Batik zu den sogenannten "Ekeltechniken", schrieb der Kunstkritiker in seinem 1989 erschienenen Buch "Die unbewältigte Moderne".

Dieses Zitat stellte Flawia Figiel an den Anfang ihrer einführenden Worte, die sie zur Eröffnung der neuen Jahresausstellung am Keramikmuseum in Staufen sprach. Sie trägt den Titel "Picasso & Co." und ist noch bis 29. November dieses Jahres zu sehen.

Kunstkeramik ist abstrakt und erfordert Nachdenken

Kunsthistorikerin Figiel, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Badischen Landesmuseum in Karlsruhe das Keramikmuseum betreut, nutzte den kurzen Moment der Schockstille, den das Grasskamp-Zitat bei den rund 30 Gästen im Museumsfoyer ausgelöst hatte.

Keramik sei mehr als bloße Gebrauchskunst, sagte sie. Sie sei frivol und frech, wie etwa ein Weinkühler, den der Elsässer Grafiker Tomi Ungerer gestaltet habe. Sie sei abstrakt und erfordere ein geübtes Nachdenken, wie die Objektkunst "Schlinge" von Thomas Weber. Mit dieser Plastik, die aus gelben, gewickelten Tonwülsten besteht, will der österreichische Künstler zum Ausdruck bringen, dass jeder Mensch anders gewickelt sei.

Zu sehen sind Werke von Picasso und russischen Avantgardisten

In drei Räumen, dazu noch im Treppenhaus und Foyer, macht die Ausstellung deutlich, wie Künstler mit dem Werkstoff Ton den Geist ihrer Zeit reflektierten. So zum Beispiel Werke der russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch und Wassily Kandinsky. Oder Pablo Picasso, der, beseelt von der Keramikausstellung in Vallauris in Südfrankreich, anfing, aus der Rohform eines Tellers abstrakte Bilder herauszuarbeiten.

Die künstlerische Bedeutung der Ausstellung betonte auch Staufens Bürgermeister Michael Benitz. Sie reihe sich ein "in die Perlenkette besonderer Veranstaltungen", die in diesem Jahr zur Feier des 1250-jährigen Bestehens der Stadt stattfänden. Eine Ausstellung dieser künstlerischen Reichweite habe allerdings auch Kosten mit sich gebracht, so Benitz weiter. Das Museum musste die Sicherungsanlagen für rund 20 000 Euro aufrüsten, um die einzigartigen Werke zu schützen.

Die einzigartigen Werke werden besonders geschützt

Die Stadt Staufen hatte dazu in ihrem Haushalt 7000 Euro bewilligt. Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, das Badische Landesmuseum und der Förderverein Keramikmuseum hatten den Rest getragen. Ein Gemeinschaftsprojekt, wie das Museum selbst.

Musikalisch eingebettet war die Eröffnung in zwei Beiträge von Chris Huwer an der Violine und Edward Fernbach an der Oktavmandoline, beides Musiklehrer an den Jazz – und Rock-Schulen in Freiburg. Mit Speckgugelhupf und einem Glas Staufener Weiß- oder Rotwein in der Hand ließen die Gäste die Kunstobjekte auf sich wirken, die so gänzlich anders sind als Großmutters Geschirr aus dem Küchenschrank.
von Bernhard Amelung
am Mi, 19. Februar 2020 um 12:57 Uhr

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