Malerei

Harald Kille zeigt beim Kunstverein Offenburg seine aufwühlende und aufgewühlte politische Malerei

Der Kunstverein Offenburg zeigt unter dem Titel "Fluchtkorridor 1" Gemälde von Harald Kille / Vernissage ist heute um 19.30 Uhr.

OFFENBURG. Offizielle Aufnahmen vom Treffen der Außenminister Lawrow und Çavusoglu bilden die Vorlage für das Gemälde. Indem der Maler ihre Köpfe in wenige drastische Pinselschwünge zerlegt, entblößt er das Wirken brutaler Macht unter der inszenierten Oberfläche. Die dunkle Seite der Macht ist das Hauptthema Harald Killes. Er nennt es "das Myzel" in Anlehnung an den unterirdisch wuchernden Teil der Pilze. Eine umfangreiche Werkschau des 60-Jährigen ist von diesem Freitag an bis zum 21. Oktober in den Räumen des Kunstvereins Offenburg-Mittelbaden auf dem Offenburger Kulturforum zu sehen.

Die acht Räume der Ausstellung sind umgekehrt chronologisch behängt, wodurch die Entwicklung des Künstlers nachvollziehbar wird. Früheste Werke wie "Sitzender Chief 1" (1985) in Raum acht zeigen noch einen flächigen Farbauftrag. Bilder der jüngsten Gegenwart in den vorderen Räumen sind geprägt von einem verschwenderischen Umgang mit dem Material. Wenige, oft ungemischte, kräftige Farben werden mit breitem Pinsel (auch mit dem Finger, so scheint es) auf die Leinwand gespachtelt. Zentimeterdicke plastische Farbwülste werfen durch ihr Relief und durch die schräg von oben einfallende Beleuchtung kontrastierende Schatten. Die zweidimensionale Bildfläche erhält so eine derbe, fast brachiale Plastizität, die der Bildaussage dienlich ist.

Die Topographie der Farbmassen ist fotografisch nur unzureichend abzubilden, man muss sie mit der Stereoskopie der beiden Augen erleben. Wenn man nahe herantritt, dominiert die pastose Materialität der Ölfarbe. Aber schon aus kurzer Distanz lässt sich die Funktion des einzelnen Pinselstrichs im Bildgefüge erahnen. Kinn und Lippen Lawrows im eingangs beschriebenen Werk "Konferenz der Außenminister" (2017/18) wirken wie mit Knete geformt, ähnlich den Figuren Wallace und Gromit aus dem gleichnamigen Animationsfilm. Mit dem Abstand des Betrachters zum Bild wächst auch die Bildillusion. Die Elemente verschmelzen zu einer Ganzheit, die fast immer figürlich ist. Nur in wenigen seiner Gemälde tendiert Kille, vom Gegenständlichen ausgehend, ins Abstrakte.

Der in Schwenningen geborene, in Oberderdingen bei Pforzheim ansässige Kille studierte in Stuttgart und Karlsruhe. Verschiedene Museen und Institutionen im südwestdeutschen Raum haben nach seinen Angaben Werke von ihm erworben, eine ganze Anzahl befinde sich im Bestand der Sammlung Würth. Am Beispiel konkreter Ereignisse wie einem FDP-Parteitag oder einem Wahlkampfauftritt Donald Trumps kommentiert er das politische Weltgeschehen und wird so zum kritischen Chronisten der Zeitläufte.

Harald Kille sagt, er malt Historienbilder ohne Auftrag

"Er versteht seine Bilder als Historienbilder ohne Auftrag", beschreibt Susanne Ramm-Weber vom Kunstverein die Intention des Künstlers. Die Vorsitzende des Künstlerischen Beirats hat die Ausstellung kuratiert und bei der Hängung der Bilder mitgeholfen. Das sei nicht einfach gewesen. "Die großen Formate haben ein Gewicht von 20 bis 30 Kilo wegen der dicken Farbschichten," sagt sie. Von seiner ausladenden Malerei ein wenig in den Hintergrund gedrängt sind Skulpturen von Killes Hand. Verteilt auf vier Podeste wird die 30-teilige Serie "Rund- und Spitzköpfe" gezeigt. Es sind kleinformatige, individuelle männliche Charakterstudien, den aus der Malerei bekannten, anonymen Porträts, Troniengenannt, verwandt. Neben der bildnerischen Arbeit übt sich Harald Kille auch als Komponist. Jean-Marie Angster wird auf der Vernissage eine Komposition von ihm spielen. Es ist ein Solo-Stück für Gitarre.

Vernissage: diesen Freitag um 19.30 Uhr, Kunstverein Offenburg-Mittelbaden e.V. im Kulturforum, Amand-Goegg-Straße 2, 77654 Offenburg. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 13 – 17 Uhr, Samstag und Sonntag 11 – 18 Uhr. Die Ausstellung dauert bis zum 21. Oktober 2018.
von Dierk Knechtel
am Fr, 14. September 2018

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