"Ich wollte ihm auf die Spur kommen"

TICKET-INTERVIEW: Burghart Klaußner über Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und die deutsche Nachkriegszeit.

Es ist nicht das erste filmische Denkmal, das dem in Stuttgart geborenen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903–1968) gesetzt wird, der maßgeblich an der Aufklärung der NS-Verbrechen mitwirkte. Doch in der Filmbiografie "Der Staat gegen Fritz Bauer", die der Regisseur Lars Kraume am Samstag, 3. Oktober, in Freiburg vorstellen wird, liefert Charakterschauspieler Burghart Klaußner (66) die bisher eindrucksvollste Darstellung des Nazi-Jägers ab. Mit dem gebürtigen Berliner ("Das weiße Band", "Elser") sprach Markus Tschiedert.

Ticket: Wie haben Sie sich als Vorbereitung auf den Film mit der Person Fritz Bauer auseinandergesetzt?
Klaußner: Es gab Schwarzweißaufnahmen aus dem Archiv des Hessischen Rundfunks, die Fritz Bauer in einer Sendung "Kellerclub" zeigen, von denen ich fasziniert und verblüfft war. In Sprache und Körperhaltung zeigte sich sein ganzes kämpferisches Einzelgängertum. Das hat mich sofort ins Herz getroffen, und ich übernahm seinen Habitus, als ich zum Vorsprechen ging. Ich glaube, das hat überzeugt. Ich wollte diese Rolle unbedingt spielen.
Ticket: Eine doch sehr komplexe Rolle...
Klaußner: Ja, ich wollte diesem Mann irgendwie auf die Spur kommen. Das Drehbuch war ausgezeichnet, auch ausgezeichnet recherchiert. Die Story hat eine Erzählkraft, die sowohl spannend als auch berührend ist.
Ticket: Wie haben Sie die äußere Verwandlung in Fritz Bauer empfunden?
Klaußner: Wir haben mehrere Perücken nach allen Regeln der Kunst geprüft, verworfen und wieder neu angefangen, bis das Aussehen stimmte. Uns war klar, dass man sofort aussteigen würde, wenn es da nur den Anflug eines Zweifels gegeben hätte. Wie bei jeder historischen Figur standen auch wir vor der Frage, wie weit man in die Zeichnung der Figur geht und wie viel man weglässt, um nicht zu eng zu werden und vor allem Platz zu lassen für den Zeitgeist, die in so einer Figur natürlich auch stets präsent sein sollte.
Ticket: Tatsächlich entstehen gerade mehrere Filme über die Zeit der Auschwitz-Prozesse. Wie erklären Sie sich dieses aufkeimende Interesse daran?
Klaußner: Nicht nur diese Prozesse sind Thema. Es sind Filme über die Jahre, als durch den Mut solcher Menschen wie Bauer an das Verdrängen der Naziverbrechen gerührt wurde. Ein neues Grundgesetz allein hat kein neues Deutschland geschaffen.
Ticket: Wie haben Sie denn die damalige Zeit als Jugendlicher miterlebt? Was herrschte damals für eine Stimmung im Land?
Klaußner: Es war unangenehm und verpönt, bestimmte Fragen zu stellen – aus Angst vor der Antwort. Es hätte ja sein können, dass dabei etwas Unangenehmes oder Böses herausgekommen wäre. Ein Terrain, das mit Scham und Vorsicht belastet war. Ich behaupte mal, eine ganze Gesellschaft hat ein Familiengeheimnis mit sich herumgetragen. Jeder wusste, irgendwas war da, aber lieber nicht daran rühren. Irgendwann kam dann der Wandel.
Ticket: Hatten Sie als Schüler die Auschwitz-Prozesse mitverfolgt?
Klaußner: Kein Thema. Die Vorbereitungen zur Mondlandung waren wichtiger. Von den Auschwitz-Prozessen und Fritz Bauer habe ich erst durch das Stück "Die Ermittlung" von Peter Weiss Genaueres erfahren. Dadurch ist mir erst das ganze Ausmaß der Nazi-Verbrechen zu Bewusstsein gekommen.
Ticket: Wie wichtig ist ein Film wie "Der Staat gegen Fritz Bauer" in einer Zeit, in der Neonazis gerade wieder regen Zulauf finden?
Klaußner: Die rechte Gewalt ist so präsent, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. Doch tritt sie durch eine glückhafte Wendung der Geschichte augenblicklich in den Hintergrund. Es ist eine Gegenkraft entstanden, als hätten wir von den dunkelsten Zeiten gelernt.
Ticket: Ab 16. Oktober erlebt man Sie auch in "Bridge of Spies" von Steven Spielberg, der sich auch immer wieder mit deutscher Geschichte auseinandergesetzt hat. Wie haben Sie ihn erlebt?
Klaußner: Wunderbar. Ein inspirierender Mann, begeisterungsfähig! Ich dachte immer nur: was für ein Springteufel!





von tsc
am Mi, 30. September 2015

DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER

Regie: Lars Kraume
Mit Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg u. anderen
105 Minuten, frei ab 12 Jahren
Die Story
1957 will in der jungen Bundesrepublik keiner mehr über die NS-Verbrechen reden - bis auf Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner), der die Verantwortlichen des Holocaust vor Gericht stellen will. Nur der junge Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) steht ihm zur Seite. Doch er wird wegen seiner Homosexualität von Kollegen, die insgeheim gegen Bauer arbeiten, aus dem Verkehr gezogen...  

Autor: bz

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