INFO-BOX: Alle frommen Wege führen nach Ulm
V iele Wege führen nach Rom - nicht nur weil römische Legionäre zum ungeliebten Heimspiel in den Circus Maximus zitiert wurden. Auch Händler, Pilger oder Wallfahrer traten die Wege breit. Und das nicht nur in die eine Richtung. Viele dieser alten Wege sind heute entweder vom Lastwagenlärm umtoste Bundesstraßen - andere sind schmale Fahrrinnen durch Weinberge, Feldwege am Waldrand entlang, mit einer tollen Aussicht auf das Ziel oder auf den Weg.
Wer etwa in Ravensburg auf den Blaserturm klettert, der kann bei "sichtigem Wetter" (so der oberschwäbischer Fachausdruck für eine Föhnwetterlage) im Süden die Schweizer Alpen sehen als stünde er direkt davor - und weiß genau, wie er nach Rom gelangt.
Wer weniger auf dem Kerbholz hat oder nicht ausreichend motiviert ist, kann auch in Richtung Norden blicken. Dort liegt ihm Oberschwaben zu Füßen und irgendwo hinter den sanft geschwungenen Hügeln - mit Kühen, Kapellen oder Wald - liegt Ulm. Von dort kamen viele Pilger und Wallfahrer im Mittelalter - denn das Münster ist nicht erst eine Attraktion, seitdem es die evangelische Gemeinde übernommen hat, den Innenraum leerte, aber dafür 1890 eine Spitze schenkte, die den Kirchenturm mit 161,53 Metern zum weltweit höchsten macht.
Die Katholiken kontern mit der Sagrada família in Barcelona. Das Lebenswerk des Architekturgenies Gaudí (1926 gestorben) soll einen noch höheren Hauptturm erhalten - wenn es dereinst fertig gestellt wird. Und zu allem Überfluss pilgern jetzt auch noch die Katholiken nach Ulm. Denn zum Katholikentag vom 16. bis zum 20. Juni fahren nicht nur Sonderzüge, Sonderbusse und ganze Kirchenchöre - sondern auch Wandergruppen machen sich auf den Weg. Von Freiburg aus ist dieser Weg teils steil und beschwerlich - und obendrein sehr weit: 176 Kilometer sind es allein nach Konstanz. Aber dafür machen allein die Stationen Lust, sich auf den Weg zu machen. Das sind Hinterzarten, durch die Wutachschlucht geht es gen Blumberg, dann über Engen, am Hohentwiel vorbei nach Singen, Wallhausen bis nach Konstanz.
Auf der Überfahrt nach Meersburg bleibt Zeit, um ein wenig Seeluft zu schnuppern und sich innerlich auf die letzten 161 Kilometer vorzubereiten. Durch die steile Innenstadt geht es hinauf in Richtung Markdorf, durch Rebenbewachsene Hänge und Allgäuer Postkartenlandschaften gelangt der Wanderer oder Radfahrer ins quirlige, lebensfrohe Ravensburg.
Wer kirchliche Monumentalarchitektur schätzt oder ein Orgelkonzertkonzert genießen möchte, der wird auch den steilen Abstecher zur Weingartener Basilika nicht scheuen. Weiter geht es nach Bad Waldsee - das nicht nur so heißt, sondern neben allerlei Wellnesslockungen auch einen Waldsee und einige Bäder hat. Nach Steinhausen (berühmt durch die mit 365 Engeln garnierte "schönste Dorfkirche der Welt") und Biberach (eine der oberschwäbischen Kleinmetropolen) gehört Oberdischingen zu den letzten Stationen vor dem Ziel.
Dort steht auf einer Anhöhe die Dreifaltigkeitskirche aus dem frühen 18. Jahrhundert, nebenan ist das Cursillo-Haus, wo Pilger gegen einen geringen Obolus Bett und Essen bekommen (eine Anmeldung macht die Sache aber sicherer). Den Hang hinunter säumt eine Allee den Weg: Der Wanderer geht auf der alten Reichsstraße, die für den Hochzeitszug der Habsburgertochter Marie Antoinettes zu ihrem Gemahl (der spätere König Ludwig XVI.) gen Frankreich angelegt wurde. Wer sich an die alten Pilgerwege hält, der hat noch einige anstrengende Kilometer vor sich. Denn obwohl es entlang der Donau geht, wird kein Hügel ausgelassen. Nicht zur Buße, sondern weil es im marschigen Donauried früher kaum vorwärtsging und der Pilger sich zwischen Abkürzung und Sumpffieber entscheiden musste.
Heute lockt die Aussicht, denn der Münsterturm ist nicht mehr weit. Nein, nicht der schönste der Christenheit. Nur der höchste. Aber immerhin warten eine kühle Kirche und viele Biergärten auf die müden Pilger.
Martin Pfefferle
INFO-BOX
Weg: Als offizielle Pilgerwanderung bietet der Katholikentag die Strecke von Weingarten nach Ulm an. Die 115 Kilometer werden in fünf Tagesetappen bewältigt. Los geht es 11. Juni, Treffpunkt ist in Weingarten. Roland Scheuch führt die Gruppe. Eine Anmeldung ist obligatorisch.
Karten: Ganz Oberschwaben von Ulm bis Lindau ist auf einer Freizeitkarte im Maßstab 1: 75 000 vereint. Rad- und Wanderwege sind bereits eingezeichnet, ebenso wie Sehenswürdigkeiten. Ein Freizeit- und Ortsregister ist beigefügt. ISBN:
3-933671-81-7, Preis: 6,60 Euro.
Wer etwa in Ravensburg auf den Blaserturm klettert, der kann bei "sichtigem Wetter" (so der oberschwäbischer Fachausdruck für eine Föhnwetterlage) im Süden die Schweizer Alpen sehen als stünde er direkt davor - und weiß genau, wie er nach Rom gelangt.
Wer weniger auf dem Kerbholz hat oder nicht ausreichend motiviert ist, kann auch in Richtung Norden blicken. Dort liegt ihm Oberschwaben zu Füßen und irgendwo hinter den sanft geschwungenen Hügeln - mit Kühen, Kapellen oder Wald - liegt Ulm. Von dort kamen viele Pilger und Wallfahrer im Mittelalter - denn das Münster ist nicht erst eine Attraktion, seitdem es die evangelische Gemeinde übernommen hat, den Innenraum leerte, aber dafür 1890 eine Spitze schenkte, die den Kirchenturm mit 161,53 Metern zum weltweit höchsten macht.
Die Katholiken kontern mit der Sagrada família in Barcelona. Das Lebenswerk des Architekturgenies Gaudí (1926 gestorben) soll einen noch höheren Hauptturm erhalten - wenn es dereinst fertig gestellt wird. Und zu allem Überfluss pilgern jetzt auch noch die Katholiken nach Ulm. Denn zum Katholikentag vom 16. bis zum 20. Juni fahren nicht nur Sonderzüge, Sonderbusse und ganze Kirchenchöre - sondern auch Wandergruppen machen sich auf den Weg. Von Freiburg aus ist dieser Weg teils steil und beschwerlich - und obendrein sehr weit: 176 Kilometer sind es allein nach Konstanz. Aber dafür machen allein die Stationen Lust, sich auf den Weg zu machen. Das sind Hinterzarten, durch die Wutachschlucht geht es gen Blumberg, dann über Engen, am Hohentwiel vorbei nach Singen, Wallhausen bis nach Konstanz.
Auf der Überfahrt nach Meersburg bleibt Zeit, um ein wenig Seeluft zu schnuppern und sich innerlich auf die letzten 161 Kilometer vorzubereiten. Durch die steile Innenstadt geht es hinauf in Richtung Markdorf, durch Rebenbewachsene Hänge und Allgäuer Postkartenlandschaften gelangt der Wanderer oder Radfahrer ins quirlige, lebensfrohe Ravensburg.
Wer kirchliche Monumentalarchitektur schätzt oder ein Orgelkonzertkonzert genießen möchte, der wird auch den steilen Abstecher zur Weingartener Basilika nicht scheuen. Weiter geht es nach Bad Waldsee - das nicht nur so heißt, sondern neben allerlei Wellnesslockungen auch einen Waldsee und einige Bäder hat. Nach Steinhausen (berühmt durch die mit 365 Engeln garnierte "schönste Dorfkirche der Welt") und Biberach (eine der oberschwäbischen Kleinmetropolen) gehört Oberdischingen zu den letzten Stationen vor dem Ziel.
Dort steht auf einer Anhöhe die Dreifaltigkeitskirche aus dem frühen 18. Jahrhundert, nebenan ist das Cursillo-Haus, wo Pilger gegen einen geringen Obolus Bett und Essen bekommen (eine Anmeldung macht die Sache aber sicherer). Den Hang hinunter säumt eine Allee den Weg: Der Wanderer geht auf der alten Reichsstraße, die für den Hochzeitszug der Habsburgertochter Marie Antoinettes zu ihrem Gemahl (der spätere König Ludwig XVI.) gen Frankreich angelegt wurde. Wer sich an die alten Pilgerwege hält, der hat noch einige anstrengende Kilometer vor sich. Denn obwohl es entlang der Donau geht, wird kein Hügel ausgelassen. Nicht zur Buße, sondern weil es im marschigen Donauried früher kaum vorwärtsging und der Pilger sich zwischen Abkürzung und Sumpffieber entscheiden musste.
Heute lockt die Aussicht, denn der Münsterturm ist nicht mehr weit. Nein, nicht der schönste der Christenheit. Nur der höchste. Aber immerhin warten eine kühle Kirche und viele Biergärten auf die müden Pilger.
Martin Pfefferle
INFO-BOX
PILGERWANDERUNG
Weg: Als offizielle Pilgerwanderung bietet der Katholikentag die Strecke von Weingarten nach Ulm an. Die 115 Kilometer werden in fünf Tagesetappen bewältigt. Los geht es 11. Juni, Treffpunkt ist in Weingarten. Roland Scheuch führt die Gruppe. Eine Anmeldung ist obligatorisch.
Karten: Ganz Oberschwaben von Ulm bis Lindau ist auf einer Freizeitkarte im Maßstab 1: 75 000 vereint. Rad- und Wanderwege sind bereits eingezeichnet, ebenso wie Sehenswürdigkeiten. Ein Freizeit- und Ortsregister ist beigefügt. ISBN:
3-933671-81-7, Preis: 6,60 Euro.
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Fr, 14. Mai 2004