Ticket-Interview
Regisseur Thomas Vinterberg über seinen Film "Die Kommune"
Bereits mit seinem zweiten Spielfilm "Das Fest" weckte Thomas Vinterberg (46) internationale Aufmerksamkeit. Neben seinem dänischen Landsmann Lars von Trier gehörte er zu den Mitbegründern der Dogma 95-Bewegung gegen die Wirklichkeitsentfremdung im Kino. Aber er drehte auch Filme, die den selbst aufgestellten Regeln widersprachen, etwa "It’s All About Love" oder "Am grünen Rand der Welt". Mit "Die Kommune" kehrt der Regisseur in die 70er Jahre zurück, als Menschen nach neuen Lebensmodellen suchten. Markus Tschiedert sprach mit Thomas Vinterberg.
Ticket: Was faszinierte Sie an dem Thema Kommune?
Thomas Vinterberg: Es bestand immer eine große Neugierde, wie ich meine eigene Erziehung in einer Kommune erlebt haben könnte. Einer, der sich dafür interessierte, war der frühere Intendant des Burgtheaters Wien, Matthias Hartmann. Er schlug vor, den entgegengesetzten Weg wie beim "Fest" zu gehen. "Das Fest" war zuerst ein Film, dann ein Theaterstück. "Die Kommune" inszenierte ich zuerst als Theaterstück, dann wurde ein Film daraus.
Ticket: Wie vollzog sich der Weg vom Theater zum Kino?
Vinterberg: Matthias versprach mir, fürs Theaterstück die besten Schauspieler der Welt zu besorgen. Das tat er, sie waren wirklich erstaunlich. Ich konnte viel mit ihnen improvisieren, was wiederum immer wieder in mein Skript einfloss. Wir entwickelten daraus eine große Show für das Akademietheater in Wien, und als die Premierenzuschauer applaudierten, lachten und zugleich emotional ergriffen wurden, war mir klar, das auch auf die Leinwand zu bringen.
Ticket: Für den Film wählten Sie aber andere Schauspieler aus...
Vinterberg: Theaterschauspieler haben ein ungeheures Geschick, ihre Emotionen in Körperbewegungen auszudrücken. Darin sind sie trainiert und bieten dir gleich mehrere Ausdrucksmöglichkeiten an. Sie müssen nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, und ich musste lernen, eine gewisse Höflichkeit abzulegen.
Ticket: Sind Filmschauspieler so viel anders?
Vinterberg: Bei Filmschauspielern muss man als Regisseur anders vorgehen. Sie sind graziler, und man muss den richtigen Moment aus ihnen herauskitzeln. Generell ist aber kein Schauspieler wie der andere, es gibt sogar Unterschiede zwischen den Nationalitäten...
Ticket: Inwiefern?
Vinterberg: Wir Dänen sind sehr höflich, vielleicht zu höflich. Als ich ans Burgtheater kam, hörte zunächst keiner der Schauspieler auf mich. Jeder machte, was er wollte. Bis mir der Regieassistent zuflüsterte, dass ich vielleicht zu nett sei. Also fing ich an, sie anzuschreien, und sie mochten es. Sie lächelten sogar, und so erlernte ich die deutsche Vorgehensweise (lacht).
Ticket: Sie sagten, dass Sie als Kind selbst in einer Kommune lebten. Wie autobiografisch ist Ihr Film da?
Vinterberg: Er ist weder autobiografisch, noch basiert er auf tatsächlichen Ereignissen. Aber er basiert auf wahren Gefühlen und einigen Anekdoten. Gewisse Stationen aus dieser Zeit reflektiere ich, aber nichts ist wirklich so geschehen.
Ticket: Haben Sie ein Beispiel für eine solche Anekdote?
Vinterberg: Es gab in unserer Kommune tatsächlich mal einen Typen, der meine Schuhe in Brand setzte, wenn ich sie einfach auf den Boden liegen ließ. Aber wie gesagt, solche Momente habe ich in eine total erfundene Geschichte eingebettet.
Ticket: Wie stehen Sie generell zu dem Lebensentwurf Kommune?
Vinterberg: Ich kann es nur empfehlen, denn ich habe es erlebt und fand es großartig. Sicherlich gab es auch schmerzliche Erfahrungen, wie unser Film zeigt. Damit wollten wir auf jeden Fall ehrlich umgehen. Heute nehme ich viele Leute wahr, die allein leben und einsam sind. Viele haben keinen Sex, gehen rational durchs Leben und konzentrieren sich oft zur sehr auf ihre berufliche Karriere. Ich kann nur sagen, zieht zusammen, habt miteinander Sex, trinkt Bier zusammen. Take it easy und tauscht euch aus!
von tsc
Thomas Vinterberg: Es bestand immer eine große Neugierde, wie ich meine eigene Erziehung in einer Kommune erlebt haben könnte. Einer, der sich dafür interessierte, war der frühere Intendant des Burgtheaters Wien, Matthias Hartmann. Er schlug vor, den entgegengesetzten Weg wie beim "Fest" zu gehen. "Das Fest" war zuerst ein Film, dann ein Theaterstück. "Die Kommune" inszenierte ich zuerst als Theaterstück, dann wurde ein Film daraus.
Ticket: Wie vollzog sich der Weg vom Theater zum Kino?
Vinterberg: Matthias versprach mir, fürs Theaterstück die besten Schauspieler der Welt zu besorgen. Das tat er, sie waren wirklich erstaunlich. Ich konnte viel mit ihnen improvisieren, was wiederum immer wieder in mein Skript einfloss. Wir entwickelten daraus eine große Show für das Akademietheater in Wien, und als die Premierenzuschauer applaudierten, lachten und zugleich emotional ergriffen wurden, war mir klar, das auch auf die Leinwand zu bringen.
Ticket: Für den Film wählten Sie aber andere Schauspieler aus...
Vinterberg: Theaterschauspieler haben ein ungeheures Geschick, ihre Emotionen in Körperbewegungen auszudrücken. Darin sind sie trainiert und bieten dir gleich mehrere Ausdrucksmöglichkeiten an. Sie müssen nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, und ich musste lernen, eine gewisse Höflichkeit abzulegen.
Ticket: Sind Filmschauspieler so viel anders?
Vinterberg: Bei Filmschauspielern muss man als Regisseur anders vorgehen. Sie sind graziler, und man muss den richtigen Moment aus ihnen herauskitzeln. Generell ist aber kein Schauspieler wie der andere, es gibt sogar Unterschiede zwischen den Nationalitäten...
Ticket: Inwiefern?
Vinterberg: Wir Dänen sind sehr höflich, vielleicht zu höflich. Als ich ans Burgtheater kam, hörte zunächst keiner der Schauspieler auf mich. Jeder machte, was er wollte. Bis mir der Regieassistent zuflüsterte, dass ich vielleicht zu nett sei. Also fing ich an, sie anzuschreien, und sie mochten es. Sie lächelten sogar, und so erlernte ich die deutsche Vorgehensweise (lacht).
Ticket: Sie sagten, dass Sie als Kind selbst in einer Kommune lebten. Wie autobiografisch ist Ihr Film da?
Vinterberg: Er ist weder autobiografisch, noch basiert er auf tatsächlichen Ereignissen. Aber er basiert auf wahren Gefühlen und einigen Anekdoten. Gewisse Stationen aus dieser Zeit reflektiere ich, aber nichts ist wirklich so geschehen.
Ticket: Haben Sie ein Beispiel für eine solche Anekdote?
Vinterberg: Es gab in unserer Kommune tatsächlich mal einen Typen, der meine Schuhe in Brand setzte, wenn ich sie einfach auf den Boden liegen ließ. Aber wie gesagt, solche Momente habe ich in eine total erfundene Geschichte eingebettet.
Ticket: Wie stehen Sie generell zu dem Lebensentwurf Kommune?
Vinterberg: Ich kann es nur empfehlen, denn ich habe es erlebt und fand es großartig. Sicherlich gab es auch schmerzliche Erfahrungen, wie unser Film zeigt. Damit wollten wir auf jeden Fall ehrlich umgehen. Heute nehme ich viele Leute wahr, die allein leben und einsam sind. Viele haben keinen Sex, gehen rational durchs Leben und konzentrieren sich oft zur sehr auf ihre berufliche Karriere. Ich kann nur sagen, zieht zusammen, habt miteinander Sex, trinkt Bier zusammen. Take it easy und tauscht euch aus!
von tsc
am
Fr, 22. April 2016
Info
DIE KOMMUNE
Regie: Thomas Vinterberg
Mit Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Helene Reingaard Neumann u.a.
111 Minuten, frei ab 12 Jahren
Die Story
Anfang der 1970er erbt Erik (Thomsen) in Kopenhagen eine große Villa und gründet dort auf Initiative seiner Frau Anna (Dyrholm) eine Kommune. Zuerst herrscht Harmonie, doch als sich Erik in eine Jüngere verliebt, die ebenfalls einzieht, wird Annas Psyche auf eine Belastungsprobe gestellt.
Autor: bz