Wandertipp: Schwäbische Alb

Von Burg zu Burg im Großen Lautertal

Unterwegs in einem der schönsten Täler der Schwäbischen Alb – im Tal der Großen Lauter.

Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, an dem unsere Wanderung durch eines der schönsten Albtäler beginnt: Buttenhausen im Tal der Großen Lauter. Der Ort, heute ein Stadtteil von Münsingen, gehörte vor 1805 nicht wie die Nachbardörfer zu Württemberg, sondern war eine eigenständige, reichsfreie Herrschaft verschiedener Adelsfamilien. 1787 beschloss Freiherr Philipp Friedrich von Liebenstein die Ansiedlung von 25 jüdischen Familien und erließ angesichts des Antisemitismus im benachbarten Württemberg einen Judenschutzbrief. Bis zur Judenverfolgung durch die Nazis war etwa die Hälfte der Einwohner von Buttenhausen jüdischen Glaubens, die andere Hälfte protestantisch. Der berühmteste Sohn des Orts entstammte allerdings einer der wenigen katholischen Familien: Matthias Erzberger, Unterzeichner des Versailler Vertrags, der als Finanzminister der jungen Weimarer Republik einer der Väter des modernen Lohnsteuersystems ist und 1921 von rechtsradikalen Offizieren in Bad Peterstal-Griesbach ermordet wurde.

An das jüdische Leben in Buttenhausen erinnert ein geschichtlicher Rundgang mit 15 Stationen. Eine davon ist der idyllisch gelegene Jüdische Friedhof am Waldrand, an dem wir unsere Wanderung beginnen. Eine Tafel erläutert den Stilwandel der Grabsteine auf dem rund 150 Jahre genutzten Friedhof und erinnert daran, dass die Hälfte der Juden von Buttenhausen in Konzentrationslagern umgebracht wurde.

Vom Friedhof aus gehen wir am Geburtshaus und der Gedenkstätte für Matthias Erzberger vorbei hinunter zur Großen Lauter, der wir bis zum Ortseingang von Hundersingen folgen. Das Flüsschen windet sich auf gut 40 Kilometern vom Kloster Offenhausen bis zur Mündung in die Donau, vorbei an Wacholderheiden, Höhlen, Dörfern – und an 20 mehr oder weniger gut erhaltenen Burgruinen. Zu vier davon werden wir auf unserer Wanderung kommen.

Aber jetzt geht es erst einmal nach links über die Lauter und ein schmales Sträßchen hinauf zu einem Wanderparkplatz. Da laufen wir zwar auf Asphalt, aber durch eine besonders schöne Wacholderheide bis zur Schlosshau. Dort steht zwar eine große Tafel mit Wanderwegen, aber die hilft auch nicht viel weiter. Also gehen wir nach Gefühl – und das nicht zum letzten Mal. Die Beschilderung ist bescheiden, und mancher Wanderweg versteckt sich unter Laub und Gestrüpp. Aber das macht den Reiz der Tour aus, zumal man meist auf Sicht oder einfach nach Himmelsrichtung gehen kann. In unserem Fall nach Süden am Waldrand entlang, bis ein gelbes Dreieck direkt zur Ruine Hochhundersingen zeigt, die zwischen Bäumen zu erkennen ist. Die Burg wurde um 1200 errichtet, erhalten ist ein Bergfried aus Buckelquadern, der auf einem Felsen thront.

Ein schmaler Pfad windet sich hinunter nach Hundersingen. Wieder überqueren wir die Lauter, folgen ihr auf dem Rad- und Fußweg bis nach Bichishausen. Dort markiert ein Zollhaus die politische Zersplitterung Südwestdeutschlands vor dem Reichsdeputationshauptschluss 1805, die der Straße durchs Große Lautertal nicht weniger als vier Grenzübergänge bescherte. Das Rathaus von Bichishausen duckt sich fast vor dem Zwiebelturm der barocken Kirche, und über allem erhebt sich majestätisch die ganz gut erhaltene Schildmauerburg aus dem Spätmittelalter.

Nach der Burgbesichtigung gehen wir am westlichen Hang des Tals auf einem breiten Wirtschaftsweg hoch zum Aussichtspunkt Bürzel, blicken auf den Kessel, den die Große Lauter geschaffen hat und der an die Cirques in den Cevennen erinnert. Mittendrin steht auf einem Hügel die teils wieder aufgebaute und bewohnte Burg Niedergundelfingen, die sich mit der barocken Burgkapelle und den hübschen Fachwerkhäusern des Ortes Gundelfingen zu einem malerischen Bild fügt.

In großem Bogen führt der erst breite, dann immer schmalere Weg um den Kessel herum, runter nach Wittsteig und wieder über die Große Lauter. Auf der Ostseite des Tals hat der Wanderer die Wahl zwischen einem mehr und einem weniger steilen Aufstieg zur Burg Nummer vier, zur Hohengundelfingen. Auch die ist wie ihre Schwester in Privatbesitz, kann aber besichtigt werden.

Der Bergfried mit seinen mächtigen Bossenquadern ist zwölf Meter hoch, hatte ursprünglich aber vermutlich die doppelte Höhe. Von der wohl im elften Jahrhundert erbauten Burg hat man einen perfekten Blick über das Lautertal.

Der weitere Weg zurück nach Bichishausen auf der östlichen Talkante erfordert wieder Fantasie und Orientierungssinn, da sich der als Zwischenziel angegebene "Spitzige Stein" partout nicht zeigen will. Auf Fahrzeugspuren im Wald und über ein schmales Sträßchen erreichen wir allen Widrigkeiten zum Trotz Bichishausen und steigen nochmal an der Burg vorbei die Westseite des Tals hoch. Eine breite Waldstraße und ein paar Wirtschaftswege bringen uns zum Fladhof, weiter über eine schmale Straße direkt zurück an die Große Lauter und nach rund 20 Kilometern mit vier Anstiegen von jeweils knapp 120 Metern zu unserem Ausgangspunkt Buttenhausen. Wo die Reste einer Burg sich in der Mauer des christlichen Friedhofs verstecken, dafür aber ein klassizistisches Schloss zum Schluss an alte Adelsherrlichkeit erinnert.

Großes Lautertal: Wanderkarte Ehingen-Münsingen, Karte Nr. 26 des Schwäbischen Albvereins. Start der Wanderung: Parkplatz an der Großen Lauter in Münsingen-Buttenhausen, GPS 48° 21' 31' N, 09° 28' 47''

Infos unter: http://mehr.bz/lautertal
von Rolf Müller
am Fr, 05. Juni 2015

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